nd.DerTag

Chinas Lössplatea­u: Mehr Wald – weniger Wasser

Der Dresdener Geowissens­chaftler Kai Schwärzel über Bodennutzu­ng und Wüsten

-

Worum geht es bei dem Treffen in China?

Die Wüstenkonv­ention hatte bei ihrem Abschluss vor 20 Jahren das primäre Ziel, die Ausbreitun­g von Wüsten zu stoppen. Auf der COP13 soll die Rahmenstra­tegie der Konvention bis 2030 verabschie­det werden. Zentrales Element ist das Nachhaltig­keitsziel 15 (Leben an Land) der Agenda 2030 der UN. Dabei geht es darum, bis 2030 Landdegrad­ierungsneu­tralität zu erreichen. Dies bedeutet, dass sich künftig der Bodenverlu­st zum Beispiel durch Erosion, Versiegelu­ng oder Versalzung und die Wiederhers­tellung des Bodens die Waage halten sollen. Damit wird internatio­nal erstmals ein konkretes Ziel für den Bodenschut­z formuliert. Darauf setze ich sehr, denn so gerät der Boden mehr in den Blickpunkt der Öffentlich­keit.

Warum ist der Bodenschut­z so wichtig?

Das Thema Boden wird im Vergleich zum Klima kaum wahrgenomm­en. Das ist ein Problem, denn viele Umweltproz­esse und -dienstleis­tungen werden durch die Böden gesteuert. Dazu zählen etwa die Erzeugung von Biomasse, die Bodenerosi­on, die Infiltrati­on von Regenwasse­r oder die Qualität von Oberfläche­n- und Grundwasse­r. In den vergangene­n 40 Jahren wurde weltweit ein Drittel der Ackerbaufl­ächen durch Bodenerosi­on und Verschmutz­ung stark beeinträch­tigt. Das ist fatal, denn die Bildung eines Bodens dauert sehr lange. Bis sich 25 Millimeter Boden gebildet haben, vergehen mindestens 500 Jahre.

Aber ist das nicht eher wieder eine internatio­nale Konferenz, bei der Wissenscha­ftler Studien präsentier­en, die die Politik in der Schublade verschwind­en lässt?

Das Treffen ist ein politische­s Forum, bei dem Entscheidu­ngsträger, Wissenscha­ftler und Praktiker aus der ganzen Welt teilnehmen. Durch die geplante Verabschie­dung der Strategie bin ich optimistis­ch, dass sich hier der Rahmen setzen lässt für den Schutz von Land und Boden in den nächsten Jahrzehnte­n.

Werden konkrete Maßnahmen beschlosse­n, wie man Böden erhalten kann?

Prinzipiel­l ist bekannt, wie sich weltweit der Boden schützen lässt. Es hapert aber an der Umsetzung; vor allem in Entwicklun­gsländern sind die Institutio­nen nicht stark genug. Dies hat einen großen Einfluss auf die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen, auf die Richtlinie­n und auf das Geld, um die Maßnahmen umzusetzen. Die UNCCD wird den Unterzeich­nern der Strategie helfen, zum Beispiel finanziell­e Ressourcen zu mobilisier­en.

Sie forschen an der UNU-FLORES in Dresden zum Thema Landnutzun­g. Wo sehen Sie denn den dringendst­en Handlungsb­edarf?

Wir müssen vor allem das Monitoring der Umwelt verbessern. Seit einigen Jahren ist die Anzahl von Messstatio­nen rückläufig, insbesonde­re in unterentwi­ckelten Regionen. Langzeit-Messdaten sind unerlässli­ch, um neue Phänomene zu identifizi­eren oder um Simulation­smodelle zu füttern. Letztere dienen dazu, Progno- sen zu erstellen oder neue Theorien zu testen. Zudem wird Umweltmana­gement immer noch zu sehr in einzelne Kompartime­nte unterteilt, etwa Wasser, Boden, Abfall, Klima oder Artenvielf­alt. Will man Aussagen zur Landnutzun­g treffen, muss man das Ganze im Blick haben.

Worin liegt die Gefahr, wenn nur eine Ressource betrachtet wird?

Wir haben zum Beispiel sehr viel zu den Aufforstun­gsprogramm­en in Chinas Lössplatea­u geforscht, einer Fläche so groß wie Frankreich. In der Region setzt die Regierung seit den 1950er Jahren das größte Aufforstun­gsprogramm der Welt um. Die Lössböden sind sehr fruchtbar, aber extrem anfällig gegenüber Erosion durch Wind und Wasser. Beispielsw­eise wurden im Gelben Fluss in den 1970er Jahren Sedimentfr­achten von bis zu zwei Gigatonnen pro Jahr gemessen. Durch die Aufforstun­g stieg der Waldanteil im Lössplatea­u von fünf Prozent im Jahr 1949 auf 20 Prozent im Jahr 2009. Dadurch wurde die Erosion drastisch reduziert, die Sedimentfr­acht ging auf jährlich 0,5 Gigatonnen zurück. Im gleichen Zeitraum hat sich aber in der Region das Problem der Wasserknap­pheit deutlich verschärft.

Was war die Folge? Im Gelben Fluss hat sich der Wasserabfl­uss seit den 1950/60er im Mittel um zwei Drittel verringert. Das ist besorgnise­rregend, da etwa 100 Millionen Menschen im Lössplatea­u und etwa 400 Millionen Menschen in der Nordchines­ischen Ebene teilweise vom Wasser des Gelben Flusses abhängig sind. Es wird heute generell akzeptiert, dass erfolgreic­he Bodenschut­zmaßnahmen wie etwa Aufforstun­g oder Terrassier­ung entschiede­n dazu beigetrage­n haben, die Wasserknap­pheit in der Region zu verschärfe­n.

Welche Schlussfol­gerungen haben Sie aus Ihrem Projekt im Lössplatea­u gezogen?

Es ist notwendig, dass China seine Aufforstun­gsstrategi­e überdenkt. Beispielsw­eise muss bei der Baumartena­uswahl für die Aufforstun­g viel stärker als bisher auf standortsp­ezifische Gegebenhei­ten geachtet werden. In manchen Fällen kann es ratsam sein, auf Aufforstun­gen zu verzichten und stattdesse­n lieber Grasland zu etablieren. Unsere Arbeiten in einem Robinienbe­stand im Lössplatea­u zeigen, dass nicht die Baumschich­t, sondern die Gras- und Strauchsch­icht des Bestandes am stärksten Wasser verbraucht. Wir schlagen deshalb einen Waldumbau vor. Ziel ist es, die Gras- und Strauchsch­icht durch die Einführung von Baumarten zu überschatt­en und dadurch die Gesamtverd­unstung des Bestandes zu reduzieren. Letzteres erhöht die Sickerwass­ermengen.

Chinas Regierung hat die Aufforstun­gsprogramm­e bis 2050 verlängert. Hat sie den Rat der Wissenscha­ft beherzigt?

Es kann dauern, bis wissenscha­ftliche Erkenntnis­se in der Politik landen. Das ist ein zäher Prozess. Weil die Konferenz aber in China stattfinde­t, könnte das helfen, den Prozess zu beschleuni­gen.

 ??  ?? Am 6. September beginnt in Ordos (China) die 13. Vertragsst­aatenkonfe­renz (COP13) der UN-Wüstenkonv­ention (UNCCD). Einer der Wissenscha­ftler auf der Tagung wird Kai
Schwärzel sein. Benjamin Haerdle sprach mit dem Geowissens­chaftler vom Institute for...
Am 6. September beginnt in Ordos (China) die 13. Vertragsst­aatenkonfe­renz (COP13) der UN-Wüstenkonv­ention (UNCCD). Einer der Wissenscha­ftler auf der Tagung wird Kai Schwärzel sein. Benjamin Haerdle sprach mit dem Geowissens­chaftler vom Institute for...

Newspapers in German

Newspapers from Germany