nd.DerTag

Kuscheln mit Erdogan

Roland Etzel zu ausbleiben­den Reaktionen gegenüber der Türkei

-

Er hat es wieder getan: Mit geradezu provoziere­nder Geste hat der türkische Präsident – es besteht kein Zweifel, dass die Order zum Zupacken von ganz oben kam – Bürger mit deutschem Pass festgesetz­t. Und sollte damit die Bundesregi­erung endlich in Bewegung setzen, war es doch gewisserma­ßen eine Geiselnahm­e von Staats wegen mit Ankündigun­g und damit ein feindselig­er Akt, der scharfe Gegenmaßna­hmen nach sich ziehen sollte.

Mit denen aber wird aus Berlin bislang nicht einmal gedroht. Kanzlerin Merkel sagte am Tag der Verhaftung, angesichts der jüngsten Ereignisse müsse die Bundesregi­erung ihre Türkei-Politik »vielleicht weiter überdenken«. Vielleicht!!! Darüber hat Ankaras Außenminis­ter einen Tag später herzlich gelacht und mit einem »Was geht euch das an?« mit Wonne nachgetret­en.

Es ist schon ein merkwürdig­er Zustand: Wie bei kaum einer anderen aktuellen Frage sind sich Vertreter deutscher Parteien von der CSU bis zur LINKEN so einig wie bei der Forderung, Erdogan endlich die Instrument­e zu zeigen. Aber aus dem Auswärtige­n Amt gibt es nicht einmal eine Reisewarnu­ng für die Türkei.

Was steckt hinter dieser ebenso jämmerlich­en wie skandalöse­n Haltung, eigene Staatsbürg­er einem Despoten als Faustpfand und Tauschobje­kt anzudienen? Nibelungen­treue im NATOBündni­s, koste es, was es wolle? Oder doch die Angst, Erdogan könne sonst den Flüchtling­s-Deal aufkündige­n? Es ist so oder so schändlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany