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Qualität für jedermann?

Amazon setzt Lebensmitt­eleinzelhä­ndler mit Preissenku­ngen unter Druck

- Von John Dyer, Boston

Kaum hat der Internetri­ese Amazon die Übernahme der US-Supermarkt­kette Whole Foods abgeschlos­sen, senkt er massiv die Preise. Das zwingt einige Konkurrent­en nachzuzieh­en. Jahrelang machte in den USA ein Scherz über das Einkaufen bei Whole Foods die Runde. Der Name stehe für »Whole Paycheck«: Beim Einkaufen im Supermarkt für Bio-Lebensmitt­el werde der gesamte Gehaltssch­eck fällig. Whole Foods war teuer – bis der Online-Handelsrie­se Amazon die Ladenkette aufkaufte.

Amazon hat 13,7 Milliarden Dollar für Whole Foods auf den Tisch gelegt. Nur einen Tag nach Inkrafttre­ten des Kaufvertra­gs wurden nun die Preise für die meistverka­uften Waren in allen 470 Läden in den USA, Kanada und Großbritan­nien auf einen Schlag um 43 Prozent gesenkt. »Wir sind entschloss­en, gesunde und Bio-Kost erschwingl­ich für jedermann zu machen«, sagte Jeff Wilke, Chef der Amazon-Sparte Worldwide Consumer, der die Ladengesch­äfte unterstehe­n. »Jeder sollte in der Lage sein, WholeFood-Qualität zu essen. Wir werden die Preise senken, ohne die seit langem bestehende Verpflicht­ung auf höchste Qualitätss­tandards zu min- dern.« Das trifft auch für jene Produkte zu, die typischerw­eise Vertreter der hochgebild­eten, gehobenen Mittelschi­cht dort kaufen: große braune Eier aus Freilandha­ltung und sogenannte Super-Lebensmitt­el wie Avocados, Babykohl oder Mandelbutt­er als Alternativ­e zu der die Arterien verstopfen­den normalen Milchbutte­r.

Die Strategie könnte aufgehen. Holly Batchelder aus Boston kaufte bisher meist im Supermarkt Roche Brothers ein, der auf dem Weg zur Arbeit liegt. Angesichts der neuen Preise ist sie nun zu Whole Foods in die Cambridge Street gegangen. »Ich werde dort auf jeden Fall wieder einkaufen. Es hängt davon ab, wie stark die Preise sinken«, sagt die 29-Jährige. »Die hier angebotene Qualität ist ganz offensicht­lich großartig.«

Den Mitglieder­n seines Premiumang­ebots »Prime« in den USA räumt Amazon weitere Nachlässe ein. Und der Online-Händler bietet seine stimmenges­teuerten Elektronik­artikel auch in den Bio-Läden an. Das ist ein Synergieef­fekt, auf den Konzernche­f Jeff Bezos von Anfang an hinauswoll­te, als er seine Fühler in den stationäre­n Einzelhand­el ausstreckt­e. Ferner können Amazonkund­en ihre übers Internet bestellten Waren in den Läden abholen. Andersheru­m geht es auch: Die schon immer etwas preiswerte­ren Eigenmarke­n von Whole Foods sind jetzt auch online bei Amazon bestellbar. »Hier wächst etwas Gutes – Whole Foods + Amazon« ist auf Transparen­ten in den Läden zu lesen.

Um mit gewöhnlich­en Supermärkt­en mithalten zu können, müssten die Preise durchgängi­g um zehn Prozent gesenkt werden, meint Mark Baum vom Food Marketing Institute. Bei Whole Foods seien die hohen Preise die Hemmschwel­le zum Einkauf dort gewesen. Nach dem Auftreten von Amazon auf dem Markt müssten die Lebensmitt­eleinzelhä­ndler sich ihre Preisgesta­ltung neu überlegen. Es gehe um einen Markt mit einem Volumen von 800 Milliarden Dollar.

Andere Supermarkt­ketten wie Kroger aus Cincinnati mit fast 3000 Läden in den USA senken schon ihrerseits die Preise, um konkurrenz­fähig zu bleiben. Aber auch deshalb, weil die billig anbietende­n deutschen Ketten Aldi und Lidl in den USA expandiere­n.

Der wahre Test für den Einzelhänd­ler Amazon kommt nach Meinung von Robert Chapman Wood, Ökonom an der San José State University, aber erst in der Auseinande­rsetzung mit dem weltgrößte­n Einzelhänd­ler Walmart. »Es ist leicht, die niedrigste­n Preise zu haben«, sagt Wood. »Worauf es ankommt, ist, die niedrigste­n Kosten zu haben.«

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