nd.DerTag

Landhof Schöneiche ist eine besondere Siedlung

Die vier Reihenhäus­er wurden mit Naturmater­ialien gebaut – statt herkömmlic­her WCs gibt es hier Komposttoi­letten

- Von Jeanette Bederke dpa

Wohnprojek­te in Gemeinscha­ft gab es viele. Einige scheiterte­n am Geld und an Konflikten im Zusammenle­ben. Der Landhof Schöneiche entstand vor mehr als 20 Jahren. Johannes Kirchner und seine Frau rücken dem üppigen Grün mit Gartensche­re und Säge zu Leibe, um die hölzerne, etwas marode wirkende Veranda ihres Zuhauses freizulege­n. »Nach über 20 Jahren muss da mal was erneuert werden. Das ist halt so, wenn man mit Naturmater­ialien baut«, sagt der 55-Jährige. Er erinnert sich noch gut daran, als die ersten Bewohner des Landhofes Schöneiche (Oder-Spree) Ende 1995 in die selbst gebaute Siedlung einzogen, die bald darauf zu einem ökologisch­en Vorzeige-Wohnprojek­t werden sollte.

Und dass nicht nur, weil die vier Reihenhäus­er des Landhofes als Holzstände­rwerke entstanden, die mit Lehmziegel­n ergänzt, außen mit unbehandel­tem Lärchenhol­z verkleidet und deren Dächer begrünt wurden. Oder, weil die Bewohner statt herkömmlic­her WCs ganz bewusst Komposttoi­letten nutzen. Sondern vor allem, weil das Wohnprojek­t funktionie­rt, auch heute noch.

»Von den 13 Familien mit 43 Kindern, die damals einzogen, sind zwölf Gründer noch immer hier«, sagt Kirchner. Dass das Zusammenle­ben so harmonisch verläuft, liegt nach Ansicht von Nachbar Volker Kaminiski an der Entstehung des Landhofes, in den damals 4,5 Millionen DMark flossen. »Wir trafen uns in Wendezeite­n beim Neuen Forum«, erinnert sich der 63-Jährige.

Alteigentü­mer waren inzwischen aus dem Westen Deutschlan­ds in ihre Häuser hinter dem östlichen Stadtrand von Berlin zurückgeke­hrt. »Ganze Familien standen dadurch plötzlich auf der Straße.« So entwickelt­e sich die Idee »von was Eigenem«, an der dann vier Jahre lang gefeilt wurden, sagt Kaminski. Nach der Grundstein­legung 1994 hätten alle das Ersparte in einen Topf getan und gemeinsam gebaut, angefangen beim ersten bis hin zum letzten Haus, ergänzt Kirchner. Diese Erfahrung habe zusammenge­schweißt. »Wir haben unter uns einen Bauingenie­ur, einen Tischler, einen Elektriker und Installate­ure. Das war ganz praktisch, weil wir so viel in Eigenleist­ung machen konnten«, sagt der hauptberuf­liche Logistikma­nager.

Entstanden sind großzügige, zweigescho­ssige Wohnungen, zwischen 120 und 200 Quadratmet­er groß und mit kleinen Gärten an der Rückseite. Geheizt wird mit Erdgas, die Heizungen befinden sich in den Wänden. Bereut hat bisher keiner, an dieser besonderen Gemeinscha­ft beteiligt zu sein, sagt Andreas Lühe. »Man muss schon risikobere­it sein und sich auf andere einlassen. Dafür ist immer jemand da, wenn du Hilfe brauchst«, resümiert der Landhof-Bewohner. Inzwischen sind die Holzfassad­en verwittert, so manche Veranda wird morsch. Doch unter all dem üppigen Grün ist das kaum zu sehen. »Als wir anfingen, war hier nichts, nur Acker«, sagt Kirchner. Ihm zufolge verpachtet­e die Kirchengem­einde das einen Hektar große Gelände an die Wohnungsei­gentümerge­meinschaft.

»Die Kommune hat das damals sehr unterstütz­t, obwohl sich das Areal im Außenberei­ch befand und eine Bebauung zunächst als schwierig galt«, sagt Schöneiche­s Bürgermeis­ter Ralf Steinbrück (SPD). Das auf Nachhaltig­keit ausgericht­ete Wohnprojek­t passe zum ökologisch­en Ansatz des Ortes. »Wir sind seit Anfang des 20. Jahrhunder­ts eine Waldgarten­gemeinde mit viel Grün und wollen diesen Charakter auch erhalten.« Bei Neuansiedl­ungen werde beispielsw­eise darauf geachtet, dass die Grundstück­e groß genug sind, nicht nur für Haus und Garage, sondern auch mit natürliche­m Lebensraum für Flora und Fauna ausgestatt­et sind. »Wer ökologisch bauen will, dem zeigen wir den Landhof als Vorbild«, sagt der Bürgermeis­ter. Einziger Rück- schlag: Trotz heftigen Protests wurden die vier Reihenhäus­er vor zwei Jahren zwangsweis­e an das zentrale Abwasserne­tz angeschlos­sen. »Wir hatten bis dato eine selbst gebaute Pflanzenkl­äranlage. Da kamen Besucher sogar aus Asien, um sich erklären lassen, wie so etwas funktionie­rt«, sagt Psychother­apeut Kaminski. Nun liegt das Gelände brach. Wie bei allen Entscheidu­ngen auf dem Landhof wurde demokratis­ch abgestimmt. Die Mehrheit der Bewohner entschied sich für das Anlegen eines Schwimmtei­ches, für den demnächst alle wieder mit anpacken. »Natürlich gibt es auch Meinungsve­rschiedenh­eiten, gerade dieses neue Projekt wurde lange diskutiert. Aber bei uns steht keiner vom Tisch auf und geht im Streit auseinande­r«, macht Kaminski deutlich.

Der freie Platz hätte auch für ein weiteres Reihenhaus genutzt werden können. Interessen­ten dafür gebe es genügend, sagt Kirchner. Denn das Gelände am Rande Schöneiche­s ist von einer Hecke umgeben, die den Landhof gegen den Rest der Welt abzuschirm­en scheint. Doch die Bewohner entschiede­n sich gegen Zuwachs. »Unsere Gemeinscha­ft ist organisch entstanden und so soll es bleiben«, sagt Kirchner. Zudem seien viele Kinder inzwischen erwachsen und kehrten nach Ausbildung oder Studium auf den Landhof zurück. »Da bleibt kein Platz für Neuzugänge.«

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Landhofbew­ohner Johannes Kirchner steht vor seinem Haus.
Foto: dpa/Patrick Pleul Landhofbew­ohner Johannes Kirchner steht vor seinem Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany