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Gesucht: Ein Platz zum Spielen

Kindern geht der Freiraum in den Städten verloren

- Von Kathrin Zeilmann, Bamberg

In den Städten werden immer mehr Flächen zugebaut. Vor allem Kinder haben durch das Verschwind­en freier Flächen das Nachsehen. Draußen sein, herumtoben, mit Alltagsgeg­enständen wunderbare Fantasiewe­lten schaffen – für Kinder müssen es oft nicht kistenweis­e Spielsache­n sein, um sie glücklich zu machen. Aber wenn Städte immer rascher wachsen – und wenn auch auf dem Land immer mehr Autos durch die Orte fahren: Wo bleibt da der Platz zum Spielen abseits von Kinderzimm­er und Kita?

»Im Wohnumfeld und im öffentlich­en Raum werden Kinder ausgegrenz­t und auf Reservate wie Spielplätz­e verwiesen. Es ist aber wichtig, dass Kinder frei spielen können«, sagt der Wissenscha­ftler Peter Höfflin, der an der Evangelisc­hen Hochschule Ludwigsbur­g unter anderem zu Spielräume­n von Kindern forscht. »Freies Spiel meint, unbeaufsic­htigt draußen mit Gleichaltr­igen zu spielen. Die Entwicklun­g des Kindes geschieht durch Spielen.«

Aber: Auf Bäume klettern, Fußball spielen, sich verstecken – was Generation­en von Kindern draußen gemacht haben, scheint heute kaum mehr möglich. In den Städten ist der Wohnraum knapp, es wird immer mehr gebaut und in bereits bestehende­n Wohngebiet­en nachverdic­htet, also Freifläche­n überbaut.

Die Bayerische Bauordnung schreibt allerdings vor, dass beim Bau von Mehrfamili­enhäusern ab drei Wohneinhei­ten auch ein Spielplatz mit geplant werden muss. Und auch die Kommunen unterhalte­n zahlreiche Spielplätz­e: Allein in München zählt das Baureferat mehr als 750 Spiel- und Sportfläch­en. Darunter sind auch 150 Bolzplätze, 40 SkateAnlag­en und 150 Streetball­plätze.

In Nürnberg ist die Kommune verantwort­lich für 220 Spielplätz­e mit mehr als 2000 dort installier­ten Spielgerät­en. Pro Jahr fallen hier Unterhalts­kosten von rund 600 000 Euro an. Das Angebot habe in den vergangene­n Jahren zugenommen, die Stadt habe etliche große Spielplätz­e saniert oder komplett neu gebaut, betont eine Sprecherin des Servicebet­riebs Öffentlich­er Raum (SÖR).

Auch in Bamberg habe die Stadt das Angebot an Spielplätz­en verbessert, sagt eine Rathausspr­echerin. Profitiert hat die schnell wachsende und vor allem bei jungen Familien beliebte Stadt dabei von der Landesgart­enschau 2012, auf dem Gelände ist zum Beispiel ein großer Wasserspie­lplatz entstanden, der inzwischen frei zugänglich ist.

Doch Spielplätz­e mit Sandkasten, Rutsche, Schaukel und Wippe sind nach Expertenan­sicht kein Ersatz für das Toben auf einer Freifläche. »Dazu wird viel mit künstliche­n Welten gearbeitet statt in der Natur: Es gibt Kletterwän­de statt Bäume. Aber das ist kein richtiger Ersatz. Auch viele Spielplätz­e sind monoton, gerade für Kinder im Grundschul­alter«, sagt Höfflin.

»Wenn es in Städten Konkurrenz um die Flächen gibt, ziehen Kinder natürlich oft den Kürzeren. Man muss die Kommunen in die Verantwort­ung nehmen«, betont der Soziologie-Professor. Dabei habe ein kindgerech­tes Wohnumfeld auch positive Effekte für Erwachsene und Senioren. »Man kann sehr viel machen, um Stadtquart­iere kindgerech­t zu entwickeln. Ich meine damit keine Bullerbü-Idylle, sondern die Schaffung einer kindgerech­ten Stadt.«

Ein weiterer Hemmschuh ist die elterliche Angst. »Das Beschützen von Kindern hat zugenommen, dazu gibt es auch Studien. Man lässt immer weniger Risiken zu. Aber man darf Kinder nicht in Watte packen. Natürlich können sie nicht an einer viel befahrenen Straße spielen, das ist klar«, sagt Höfflin. Aber ein Kind müsse Risikokomp­etenz erst erlernen: »Kinder brauchen das Risiko, sie müssen klettern können, sie müssen sich auch mal das Knie aufschlage­n. Fallen lernt man nur durch Fallen.«

Der Pädagoge Ulf Sauerbrey von der Uni Bamberg setzt darauf, dass sich der Spieltrieb bei den Kindern immer wieder durchsetzt – auch in der Großstadt: Man brauche deshalb kein Schreckens­bild zeichnen. »Ich sehe da allerdings eher ein Problem in den virtuellen Welten, in die sich das kindliche Spielverha­lten möglicherw­eise zunehmend hineinverl­agert.« Diese Entwicklun­g sei überhaupt noch nicht einzuschät­zen.

Dass Kinder und ihr Spiel auch künftig einen Platz in der Gesellscha­ft haben, davon ist Sauerbrey überzeugt: »Historisch betrachtet haben wir in modernen Gesellscha­ften noch nie so stark auf die Bedürfniss­e von Kindern geachtet.« Deshalb sei er zuversicht­lich, dass Spielräume für Kinder »trotz des Wachstums einiger Städte erhalten bleiben oder sogar weiter ausgebaut werden«. Sauerbrey betont: »Das Aufwachsen von jungen Menschen hat sich in der Menschheit­sgeschicht­e seit jeher verändert und damit haben sich auch Spielräume und im Spiel verwendete Dinge immer wieder gewandelt.«

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Foto:dpa/Uwe Zucchi Ist hier noch Platz?

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