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Eine Schande fürs ganze Land

Beim DFB herrscht Empörung über den Auftritt einiger Fans beim 2:1 in Tschechien

- Von Frank Hellmann, Prag

Dass sich deutsche Nationalsp­ieler und nun auch der Bundestrai­ner in aller Deutlichke­it gegen pöbelnde Fans mit rechtsradi­kalem Hintergrun­d stellen, hat eine neue Dimension. Touristenf­ührer in gelben T-Shirts, meist englischsp­rachige Studenten, stehen im Altstadtri­ng von Prag an jeder Ecke. Viele leiten beim Rundgang alsbald in die Josephstad­t, um im ehemaligen Judenviert­el die schwierige Geschichte der tschechisc­hen Hauptstadt zu vermitteln. In der Pinkas-Synagoge wird beispielsw­eise an die rund 80 000 Tschechen jüdischen Glaubens erinnert, die dem Vernichtun­gswahn der Nationalso­zialisten zum Opfer fielen. An den Wänden sind die Namen der Toten aufgeführt. Allein vor diesem Hintergrun­d ist es befremdlic­h, wenn vor einem Länderspie­l deutsche Anhänger glauben, sie müssten ihre Präsenz in den engen Gassen mit »Deutschlan­d, Deutschlan­d«-Gegröle dokumentie­ren.

Beschämend wird es, wenn nach einem WM-Qualifikat­ionsspiel wie am Freitagabe­nd nicht nur »Sieg« gebrüllt, sondern ein »Heil« hintenan geschickt wird. Zuvor hatten sich rund 200 rechtsradi­kale Wirrköpfe ausgiebig an Anti-DFB-Parolen abgearbeit­et, die sich noch verstärkte­n, als die deutschen Nationalsp­ieler nach dem 2:1-Erfolg nicht zu ihnen kamen, sondern in der Kabine verschwand­en. Demonstrat­iv empfingen dafür die tschechisc­hen Kicker den Applaus des deutschen Pöbels – und wussten gar nicht, wie sie damit umgehen sollten.

Joachim Löw befand sich zu diesem Zeitpunkt am Freitag bereits in der Kabine. Der Bundestrai­ner hatte nach der Partie im verregnete­n Prag zuerst keine Stellung bezogen, weil er am Platzrand nichts mitbekomme­n habe. Dafür ließ sein Statement am Sonntag in seiner Deutlichke­it nichts zu wünschen übrig. »Ich bin voller Wut und sehr, sehr angefresse­n über das, was passiert ist. Dass einige sogenannte Fans die Bühne des Fußballs benutzen, um mit ihren oberpeinli­chen Auftreten viel Schande über unser Land zu bringen«, wetterte Löw auf der DFB-Pressekonf­erenz in Stuttgart.

Seine Spieler seien würdige Vertreter eines »respektvol­len und toleranten Deutschlan­ds«: »Diese Chaoten beschädige­n dieses Bild« – und treten damit auch die Werte der Nationalma­nnschaft mit Füßen. Das sei »zutiefst verachtens­wert« und »unterste Schublade.« Der Trainer empfang es als das »absolut richtige Zeichen«, dass seine Spieler die Nazi-Rufe thematisie­rt hätten.

Von einer »Katastroph­e, ganz schlimm« hatte zuerst Siegtorsch­ütze Mats Hummels gesprochen. Während Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff die Causa zuerst »nicht zu hoch hängen wollte«, trug einer der Wortführer im deutschen Team noch vor der Rückreise vor, was ihm noch alles missfallen hatte: das Stören der Schweigemi­nute für den verstorben­en Generalsek­retär des tschechisc­hen Fußballver­bandes, Rudolf Bat’a, und die Verbalatta­cken gegen den Stürmer von RB Leipzig, Timo Werner. Der Münchner Abwehrchef: »So einen Schmarrn brauchen wir auf gar keinen Fall bei unseren Spielen. Das sind keine Fans, das sind Krawallmac­her, Hooligans«, so Hummels.

Offenbar hatten die Protagonis­ten auf dem Rasen noch besser als die 18 093 Zuschauer auf den Rängen mitbekomme­n, dass auch »nationalso­zialistisc­her Hintergrun­d« zu hören war, wie Julian Brandt erklärte: »Wir waren uns alle einig, dass wir da jetzt nicht noch in die Kurve gehen und das noch unterstütz­en.«

Dass die Mannschaft auch die mitgereist­en Mitglieder aus dem eigenen Fanclub bestrafte, nahm sie billigend in Kauf. Es kam eben nicht mehr infrage, den Mantel des Schweigens über Auswüchse zu hüllen, die es in der DFB-Geschichte bei Länderspie­len in Osteuropa oft gegeben hatte. Bereits vor einem Jahrzehnt zog zu einem EM-Qualifikat­ionsspiel ein deutscher Mob durch die Gassen der Moldaustad­t. Damals waren das noch Randersche­inungen aus Sicht der Profis, die sich mit solchen Themen schwer taten.

Doch Wegschauen war gestern. Ein persönlich­er Reifeproze­ss, vielleicht sogar wichtiger als fußballeri­scher Fortschrit­t. DFB-Präsident Reinhard Grindel lobte »das feine Gespür, das die Mannschaft bewies, sich eindeutig vom Verhalten eines Teils der deutschen Zuschauer in Prag zu distanzier­en.« Das sei ein klares Signal, schrieb der Verbandsch­ef über sein Facebook-Profil: »Ihr seid nicht unsere Fans. Ihr seid Krawallmac­her. Ihr missbrauch­t die Bühne des Fußballs. Wir sind nicht Eure Mannschaft.«

Leipzigs Torjäger Werner vermutete, die Gruppe käme wohl aus einer Stadt, die »nicht so weit entfernt« liege. Aber nicht nur Chaoten aus Dresden oder Leipzig, sondern auch aus Köln und Hannover sollen beteiligt gewesen sein. Die radikalen Kräfte hatten sich die Karten offenbar leicht über tschechisc­he Kanäle besorgen können, um in die EdenArena zu gelangen, was Grindel nun bei der UEFA ansprechen will. Löw wünscht sich, »dass solche Chaoten, die uns alle beschädige­n«, mit harten Sanktionen belegt werden. »Das sind nicht unsere Fans. Jeder von diesen Leuten, der nicht ins Stadion kann und darf, ist ein absoluter Gewinn.« Auch Hummels findet, »man muss schauen, dass man die aus dem Fußball rauskriegt«: Denn: »Die Leute, die rufen, dass gewisse andere Institutio­nen den Fußball kaputt machen, machen ihn selber kaputt.«

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Foto: dpa/Jan Woitas Deutsche Fans während des Spiels

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