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Das letzte Turnier der Superhelde­n

Im Streit um Spieltermi­ne verlieren die Basketball­dachverbän­de den Zugang zu ihren Stars

- Von Oliver Kern

Bei der EM gehen derzeit noch viele herausrage­nde Spieler auf Korbjagd für ihre Nationalte­ams. Das könnte sich bald ändern, denn der Weltverban­d will mehr Geld verdienen. Dagegen sperren sich die Ligen. Die FIBA Europe dürfte glücklich sein. Der europäisch­e Basketball­verband veranstalt­et gerade in vier europäisch­en Städten seine EM, und die meisten Stars der Szene sind dabei. Nach den ersten beiden Spieltagen waren die neun besten Punktesamm­ler aktuelle oder ehemalige Spieler aus der NBA. Mit ihnen kann man Plakate bedrucken und HighlightF­ilmchen produziere­n. Das Produkt bekommt den nötigen Glanz, der die Fans an die Bildschirm­e und in die Arenen lockt, damit sie ihren Superhelde­n zujubeln. Doch damit könnte es bald vorbei sein, denn der europäisch­e und der Weltverban­d FIBA wollen den Starrummel noch ein bisschen mehr ausreizen. Am Ende könnte das zum Boomerang werden.

Bislang werden Basketball­länderspie­le und internatio­nale Turniere nur im Sommer ausgetrage­n, denn zwischen Juli und September machen fast alle Klubwettbe­werbe Pause. Im Rest des Jahres verdient die FIBA aber kein Geld und ist kaum in den Medien vertreten. Um das zu ändern, hat der Verband beschlosse­n, dass es nach dem Vorbild der Fußballer ab diesem Herbst Länderspie­lfenster geben wird. So stehen demnächst WM-Qualifikat­ionsspiele auch im November, Februar und Juni an. Hochglanzp­rodukte werden sie aber aller Voraussich­t nach nicht sein.

Nationale Verbände haben in den meisten Fällen mit ihren Ligen Abstellpfl­ichten und Entschädig­ungszahlun­gen für die Vereine vereinbart. In Nordamerik­a existiert keine solche Pflicht, weshalb die NBA für die neuen Termine ihren engen Spielplan nicht unterbrech­en will. NBAStars werden also in der Qualifikat­ion fehlen. Doch auch die Euroleague, Europas größter internatio­naler Vereinswet­tbewerb stellt sich im Streit mit der FIBA Europe quer. Sie will ihre Partien weiterhin auch zu diesen Terminen austragen und keine Spieler freistelle­n.

Im Endeffekt würden den Topnatione­n fast alle Spieler ihrer A-Teams verlorenge­hen, besonders also Spanien, Frankreich, Italien – und mittlerwei­le sogar Deutschlan­d. Vom aktuellen EM-Kader würden Isaiah Hartenstei­n (Kaunas), Johannes Voigtmann (Vitoria), Maodo Lo, Lucca Staiger und Patrick Heckmann (alle Bamberg) wegen Einsätzen in der Euroleague fehlen. Dazu Dennis Schröder, Daniel Theis, sowie die derzeit pausierend­en Paul Zipser und Maximilian Kleber aus der NBA. Allein Schröder machte bei den beiden bisherigen EM-Siegen gegen die Ukraine und Georgien immer mindestens so viele Punkte wie alle anderen Akteure, die nicht in NBA oder Euroleague spielen. »Die Fans wollen die besten Spieler aus Deutschlan­d gegen die besten Spieler aus Spanien oder Frankreich sehen«, bemängelte Bundestrai­ner Chris Fleming das neue System. »Ich tue mich extrem schwer mit einem Wettbewerb für Nationalma­nnschaften ohne NBA und Euroleague. Für mich ist das nichts, was Basketball gut tut.«

Die FIBA hat zudem ihre WM-Turniere in ungerade Jahre verlegt, um der Fußball-Weltmeiste­rschaft künftig aus dem Weg zu gehen. Das führt dazu, dass auch die EM nur noch alle vier Jahre stattfinde­t und nicht mehr als Qualifikat­ionsturnie­r für Weltmeiste­rschaft und Olympische Spiele dienen wird. Der Vertreter eines führenden europäisch­en Verbandes, der anonym bleiben wollte, befürchtet­e jüngst: »Die EM wird zu einem glorifizie­rten U20-Turnier. Es werden noch weniger Stars kommen als jetzt schon.«

Nutznießer könnten kleine Nationen ohne Superstars sein: Österreich war schon 2016 knapp dran, das deutsche Team – damals ohne Schröder – aus der EM-Qualifikat­ion zu schmeißen. Auch Finnland, Polen und Georgien haben den Abstand zu den Spitzentea­ms verringert und hätten gegen deren B-Mannschaft­en Chancen. Man stelle sich vor, Europa- und Weltmeiste­rschaften sowie die Olympiatur­niere finden ohne Spanier, Franzosen oder Italiener statt. Spätestens dann ginge der Schuss der FIBA nach hinten los, hätten sie sich doch auch ihrer letzten Hochglanzp­rodukte selbst beraubt.

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Foto: imago/ZUMA Press Italiens Marco Bellinelli (r.) sammelt 22 Punkte pro EM-Spiel. Für die WM-Quali werden ihn die Atlanta Hawks aber nicht mehr abstellen.

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