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Von wirklichen Problemen und einem »irren« Aufrüstung­splan

Bundestag diskutiert zum letzten Mal vor der Wahl über die Lage in Deutschlan­d

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Die Kanzlerin präsentier­te sich entschloss­en, die SPD angriffslu­stig und die Opposition unzufriede­n mit der Regierungs­arbeit: Zum letzten Mal vor der Wahl diskutiert­e am Dienstag der Bundestag.

Berlin. Die Opposition ging in der Debatte mit der Regierung hart ins Gericht. Die Linksparte­i warf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (SPD) vor, die wirklichen Probleme im Lande totzuschwe­igen. Die Kanzlerin führe einen »Schönwette­r-Wohlfühlwa­hlkampf«, sagte Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t. Sie verwies darauf, dass nach den Berechnung­en von Wirtschaft­sforschern 40 Prozent der Bundesbürg­er derzeit ein geringeres Einkommen hätten als Ende der 90er Jahre. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisiert­e eine mangelnde Unterschei­dbarkeit von Union und SPD. Noch schlimmer als mit Schwarz-Rot könne es aber mit einem Bündnis aus Union und FDP kommen.

Zum Auftakt der gut dreistündi­gen Debatte über die »Situation in Deutschlan­d« sprach Merkel. Sie zog erwartungs­gemäß eine positive Bilanz der Regierungs­arbeit, in die sie immer wieder auch die SPD einbezog. Zugleich mahnte sie, den digitalen Fortschrit­t nicht zu verpassen. »Wir wollen nicht im Technikmus­eum enden als Deutschlan­d«, sagte sie.

Mit Blick auf Nordkorea und die Türkei forderte sie ein geschlosse­nes und selbstbewu­sstes Auftreten der EU. Merkel sprach auch den Streit mit der SPD über die Erhöhung der Verteidigu­ngsausgabe­n im Rahmen der NATO-Vereinbaru­ngen an. Die Kanzlerin verteidigt­e das Ziel, die Ausgaben in den kommenden Jahren auf zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung anzuheben. Dies hatten die NATOStaate­n 2014 bei ihrem Gipfeltref­fen im walisische­n Newport beschlosse­n.

Die SPD widersprac­h Merkel vehement. Fraktionsc­hef Thomas Oppermann warf Merkel vor, sich »dem Zwei-Prozent-Diktat der USA unterwerfe­n« zu wollen. Auch SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel widmete sich beinahe ausschließ­lich dem Thema Abrüstung. Nachdem er zu Beginn seiner Rede die Zusammenar­beit und die Erfolge der Großen Koalition gelobt hatte, nannte er den Zwei-Prozent- Beschluss »irre«. Er forderte, Deutschlan­d müsse wieder »die Stimme der Rüstungsko­ntrolle« sein.

Jubel in den eigenen Reihen löste Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) aus, die Merkel persönlich vorwarf, Verbesseru­ngen für Frauen und Langzeitar­beitslose verhindert zu haben. Sie bekam so viel Beifall, dass Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Rede als Teil des Führungska­mpfes in der SPD wertete. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz durfte im Bundestag nicht sprechen, weil er kein Abgeordnet­er des Parlaments ist.

Begleitet wurde der politische Schlagabta­usch von Abschiedsw­orten scheidende­r Abgeordnet­er. Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) war zwölf Jahre Parlaments­präsident und wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. In einer emotionale­n Ansprache würdigte er die Rolle des Parlaments, mahnte die Abgeordnet­en aber auch zu mehr Ehrgeiz bei den Debatten und bei der Kontrolle der Regierung.

Der Bundestags­präsident hatte während seiner Amtszeit der Regierung oft mangelhaft­e Unterricht­ung des Parlaments vorgeworfe­n. Der CDU-Politiker beklagte etwa die unzureiche­nden Einsichtsr­echte der Abgeordnet­en in die Unterlagen für das geplante TTIP-Freihandel­sabkommen und beschwerte sich, als bei einer Regierungs­befragung im Bundestag einmal kein einziges Kabinettsm­itglied zugegen war.

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