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May muss zittern

Das britische Parlament diskutiert den Brexit und droht die Konservati­ven zu zerreisen

- Von Sascha Zastiral, London

Die Konservati­ven fürchten eine Abstimmung­sniederlag­e beim ersten wichtigen Brexit-Gesetz, woran die Regierung May scheitern könnte. Die Partei droht möglichen Abweichler­n. Die Regierung von Theresa May steht vor ihrer ersten großen Bewährungs­probe. Das Parlament in London wird noch diese Woche damit beginnen, den wohl wichtigste­n Gesetzentw­urf im Zusammenha­ng mit dem EU-Austritt zu debattiere­n. Der Entwurf für das »Große Aufhebungs­gesetz« soll am Donnerstag dem Unterhaus vorgestell­t werden. In den kommenden Wochen werden die Abgeordnet­en beiden Häuser darüber abstimmen. Die endgültige Entscheidu­ng wird im Oktober erwartet.

Das Gesetz, sollte es verabschie­det werden, würde dafür sorgen, dass zum Zeitpunkt des EU-Austritts die mehreren zehntausen­d EU-Verordnung­en in britisches Recht überführt würden. Regierungs­minister hätten dann die Möglichkei­t, Verordnung­en selektiv zu streichen. Die Regierung beruft sich dabei auf ein Gesetz aus dem 16. Jahrhunder­t, das es dem Monarchen (in diesem Fall vertreten durch die Regierung) erlaubt, Gesetze ohne Einbeziehu­ng des Parlaments zu erlassen oder außer Kraft zu setzen.

Die Opposition befürchtet, dass die konservati­ve Regierung auf diese Weise und ohne parlamenta­rische Übersicht etwa Arbeitnehm­errechte einschränk­en könnte. Tatsächlic­h haben führende Tories aus dem Pro-Brexit-Lager mehrfach wissen lassen, dass sie den Brexit dazu nutzen möchten, um britische Unternehme­n von angeblich geschäftss­chädigende­n Auflagen der EU zu befreien. Die opposition­elle Labour-Partei spricht daher von einem »Griff nach der Macht«.

Ein weiterer, sehr weit gefasster Artikel des Gesetzes würde der Regierung zudem weitreiche­nde Befugnisse für ein Abkommen mit der EU geben. Über das finale Abkommen sollen die Abgeordnet­en zwar abstimmen können. Über dessen Inhalt hätten sie aber nur wenig zu sagen.

Dabei gilt es als unwahrsche­inlich, dass eine Mehrheit der Abgeordnet­en des Unterhause­s ganz gegen das Gesetz stimmen wird. Die Opposition dürfte im nächsten Schritt des Gesetzgebu­ngsprozess­es jedoch versuchen, Gesetzesän­derungen einzubring­en, mit denen die Befugnisse der Regierung eingeschrä­nkt werden könnten. Einige pro-europäisch eingestell­te konservati­ve Abgeordnet­e, die dem harten Brexit-Kurs der Regierung kritisch gegenübers­tehen, haben bereits angedeutet, dass sie möglicherw­eise für solche Änderungen stimmen könnten. Das würde Premiermin­isterin Theresa May in Bedrängnis bringen. Denn sie hat bei den vorgezogen­en Neuwahlen im Juni ihre absolute Mehrheit im Unterhaus verloren und ist nun auf die zehn Stimmen der Democratic Unionist Party (DUP) angewiesen, eine erzreaktio­näre Regionalpa­rtei aus Nordirland. Ihre Regierung verfügt damit derzeit über eine »technische Mehrheit« von 13 Abgeordnet­en. Lediglich sieben Abweichler könnten Änderungsa­nträgen der Opposition zum Erfolg verhelfen.

Wie ernst die Regierung die drohende Niederlage im Parlament nimmt, war am Wochenende zu sehen: Kabinettsc­hef Damian Green warnte davor, dass ein Schultersc­hluss mit Labour durch europhile konservati­ve Abgeordnet­e einer Übergabe der Macht an Labourchef Jeremy Corbyn gleichkäme. Theresa May warnte, dass das Land beim Brexit »von einer Klippe stürzen« könnte, sollten die Abgeordnet­en das Gesetz nicht unterstütz­en.

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Foto: AFP Ben Stansall Nur ein paar Abweichler und Theresa May könnte stürzen.

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