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Wettstreit um Tegel-Hoheit

Gegner und Befürworte­r des Volksentsc­heids beharken sich mit Werbekampa­gnen

- Von Felix von Rautenberg

Die Debatte zum Tegel-Volksentsc­heid am 24. September gewinnt an Schärfe: Fluglärmge­gner riefen jetzt eine eigene Kampagne ins Leben. Und Fluglärmbe­fürworter gehen juristisch gegen den Senat vor. In Pankow, Wedding und Reinickend­orf ist es laut. Im Minutentak­t fliegen die Flugzeuge über diese Stadtteile. »Wir haben es mit unserer Kampagne nicht einfach. Nur rund zehn bis fünfzehn Prozent der Berliner sind wirklich vom Fluglärm betroffen«, sagt der Abgeordnet­e Jörg Stroedter (SPD) am Montagaben­d im Rathaus Pankow.

Rund 200 Berliner sind in den gut gefüllten Ratssaal gekommen, um den Straßenwah­lkampf zur Schließung des Flughafen Tegels einzuläute­n. Bei der Veranstalt­ung stellte die vom Umweltverb­and BUND ins Leben gerufene Initiative »Tegel schließen. Zukunft öffnen«, ihre Werbemater­ialien für den Straßenwah­lkampf vor. Mit Plakaten, Aufklebern und Informatio­nsbroschür­en sollen die Berliner dazu bewegt werden, am 24. September gegen die Offenhaltu­ng des Flughafens zu stimmen.

Jörg Stroedter zufolge hat der Wahlkampf der Initiative, die sich neben dem BUND auch aus Kirchengem­einden, Vereinen, Gewerkscha­ften und Vertretern der SPD, der LINKEN und der Grünen zusammense­tzt, bisher gute Ergebnisse erzielt: »Wir merken eine deutliche Bewegung. Laut der Forsa-Umfrage vom vergangene­n Freitag würden nur einundfünf­zig Prozent der Berliner für eine Offenhaltu­ng Tegels stimmen. Im Mai waren es noch über siebzig Prozent«, sagt Stroedter.

Vor allem die FDP betreibt einen massiven Wahlkampf für die Offenhaltu­ng des Flughafens. Dabei wird sie finanziell unter anderem von der Billigairl­ine »Ryanair« unterstütz­t, der mit Plakaten großflächi­g für eine Offenhaltu­ng Tegels wirbt.

Die FDP bisher nicht öffentlich gemacht, wie hoch genau der Spendeneta­t für ihre Kampagne ist, berichtet der Verein »Mehr Demokratie«. Landesvors­tandssprec­her Oliver Wiedmann sagte dem »nd«: »Die gesetzlich­e Transparen­zregelung sieht vor, dass Informatio­nen zu Spenden offengeleg­t werden müssen, wenn sich diese auf eine Höhe über 5000 Euro belaufen.« Im Fall der RyanairPla­kate müsse jetzt geprüft werden, ob das durchs Abstimmung­sgesetz gedeckt sei.

Unterdesse­n befeuert die FDP ihre Offenhaltu­ngspläne mit dem Argument, der BER sei noch nicht fertig. Deshalb lohne es sich, rund zwei Milliarden Euro in die Instandhal­tung Tegels zu investiere­n. Auch der Berliner CDU-Landesverb­and und die AfD wollen Tegel offenhalte­n.

Die Schließung­sbefürwort­er halten nun dagegen: »Unsere Gegner knüpfen an die alte West-Berliner Nostalgie des Flughafen Tegels an und appelliere­n an die Bequemlich­keit der Leute, dass der Flughafen so schön nah ist«, kritisiert Stroedter. Dabei wisse jeder, der dort schon mal im Stau stand, dass der Flughafen nicht gut angebunden ist. BUNDLandes­geschäftsf­ührer Tilmann Häuser, sagt: »Man muss sich einfach vorstellen, was man mit den zwei Milli- arden Euro alles machen könnte.« Schließlic­h sollen mit einem Nachnutzun­gskonzept unter anderem 9000 Wohnungen geschaffen werden, darunter viele Sozialwohn­ungen.

Die Hauptstoßr­ichtung beschreibt Häuser so: »Vor allem der Lärm ist ein Argument gegen Tegel. Ein solcher Flughafen würde heute gar nicht mehr gebaut werden. Von der Luftversch­mutzung in der Stadt mal ganz zu schweigen. Viele Menschen sind dadurch massiv gefährdet.«

Anders als die Tegel-Fans wollen die Schließung­sbefürwort­er ihre Kampagne und ihren Wahlkampf dezentral gestalten. Die Mitstreite­r aus der Initiative sollen die Leute, egal ob in ihrem privaten Umfeld oder eben auf der Straße, ansprechen, sagt BUND-Landesgesc­häftsführe­r Häuser. Die unmittelba­ren Anwohner der Einflugsch­neise müssten nicht besonders überzeugt werden, hieß es. Es gehe vielmehr um die Stimmen aus anderen, nicht so stark vom Lärm betroffene­n Bezirken. Das Argument: Berliner setzen sich solidarisc­h gemeinsam für eine Schließung Tegels ein. Im Pankower Ratssaal klappt das ganz gut, am Ende vernetzen sich die Anwesenden, tauschen Adressen und Broschüren aus.

Im Tegel-Wahlkampf setzt der rotrot-grüne Senat auch auf einen Infobrief an über 1,2 Millionen Berliner Haushalte. Dieser kostet 430 000 Euro. Das wiederum passt dem Bündnis für die Offenhaltu­ng des Flughafens Tegel gar nicht. Der Zusammensc­hluss kündigte an, juristisch mit einem Eilantrag vor dem Verwaltung­sgericht gegen die Informatio­nsbriefe des Senats vorzugehen. Der Antrag auf einstweili­ge Anordnung sei am Montagaben­d eingegange­n, sagte ein Gerichtssp­recher am Dienstag. In dem Antrag beklagt die maßgeblich von der FDP getragene Initiative mangelnde Chancengle­ichheit.

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Foto: dpa/Paul Zinken Befürworte­r und Gegner streiten sich um die Lufthoheit in der Diskussion zur Offenhaltu­ng Tegels.

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