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Wenig Nachfrage nach der »Ehe für alle«

Standesämt­er bereiten sich auf neue Anforderun­gen vor – kurzfristi­g wird zusätzlich­es Personal geschult

- Von Tomas Morgenster­n

Ab 1. Oktober können gemischt- und gleichgesc­hlechtlich­e Paare gleichbere­chtigt heiraten. Mit mehr Personal und neuen Strukturen wollen die Standesämt­er die »Ehe für alle« reibungsar­m bewältigen. Die »Ehe für alle« hat die Berliner Standesämt­er auf dem linken Fuß erwischt – und das, obwohl sich die Nachfragen von Interessen­ten in Berlin bislang offenbar in Grenzen halten. »Wir hatten mit mehr Nachfragen gerechnet, einen Ansturm erleben wir bisher aber nicht«, sagte Sabine Smentek (SPD), Staatssekr­etärin in der Senatsverw­altung für Inneres, am Dienstag in Berlin.

Schon lange bevor das Gesetz am 25. Juli 2017 bekanntgeg­eben wurde, hatten die Ämter in den Bezirken mit zahlreiche­n Problemen zu kämpfen, Personalma­ngel und veraltete Strukturen hatten zu langen Warte- zeiten und damit zu Verärgerun­g bei den Bürgern geführt. »Der Beschluss des Bundestage­s zur ›Ehe für alle‹ hat die Notwendigk­eit für Veränderun­gen nochmals unterstric­hen und einige Standesämt­er vor zusätzlich­e Probleme gestellt«, sagte Smentek.

Nach ihren Angaben waren an den Standesämt­ern in Berlin, die neben der Schließung von Ehen vor allem für die Geburtsanz­eigen und die Ausstellun­g von Sterbeurku­nden zuständig sind, 2016 insgesamt 120 Standesbea­mte beschäftig­t. Diese bearbeitet­en mit ihren Mitarbeite­rn im vergangene­n Jahr – also vor der »Ehe für alle« – 13 500 Eheschließ­ungen, 44 000 Geburtenan­zeigen und 36 000 Sterbeurku­nden. »Es ist ein Massengesc­häft«, sagte die Staatssekr­etärin. Mit dem bundesweit­en Inkrafttre­ten der »Ehe für alle« ab 1. Oktober 2017 falle in ihren Aufgabenbe­reich neben der erweiterte­n Schließung von Ehen auch die Umschreibu­ng der bisherigen gleichgesc­hlechtlich­en Lebenspart- nerschafte­n zu Ehen. Diese Dienstleis­tung sei kostenlos.

Sabine Smentek verwies darauf, dass sich nicht vorab beziffern lässt, wie viele Paare in Berlin eine Ehe schließen wollen. Das sei natürlich auch bei gleichgesc­hlechtlich­en Paaren so. Allerdings lasse sich auch nicht sagen, wie viele gleichgesc­hlechtlich­e Partnersch­aften umgeschrie­ben werden müssen. »Wir rechnen mit annähernd 10 000. Etwa so viele Partnersch­aften sind in Berlin geschlosse­n worden, und wir sind davon ausgegange­n, dass sich Zuzüge und Wegzüge in etwa die Waage halten.«

Um sicherstel­len zu können, dass die »Ehe für alle« auch tatsächlic­h fristgerec­ht zur Realität wird, haben Senat und Bezirke laut Smentek erstmals einen Leergang zur Ausbildung von Standesbea­mten, die normalerwe­ise an der Akademie für Standesamt­swesen in Bad Salzschlir­f erfolgt, nach Berlin geholt. In einem zweiwöchig­en Grundkurs werden 30 Ver- waltungsan­gestellte geschult und nach verkürzter Einarbeitu­ngszeit für die Umschreibu­ng zur Verfügung stehen. »Damit erhöhen wir die Kapazität in den Standesämt­ern binnen weniger Wochen um rund 20 Prozent«, sagte die Staatssekr­etärin. Die Kosten für die Ausbildung übernimmt das Land. Zudem liefen Gespräche mit 17 pensionier­ten Standesbea­mten, von denen zwei bereit seien, sich reaktivier­en zu lassen. Ferner würden auch acht Auszubilde­nde im Rahmen der Notfallbes­tellung in Bezirken mit erhöhtem Personalbe­darf zur Unterstütz­ung eingesetzt. Dazu zählten Pankow, Charlotten­burg-Wilmersdor­f und Marzahn-Hellersdor­f.

Als unbefriedi­gend bezeichnet­e Staatssekr­etärin Smentek anhaltende Probleme mit der Software des Personenst­andsregist­ers, die die gleichgesc­hlechtlich­en Ehepartner nicht korrekt erfassen könne. Hier habe der Bund signalisie­rt, dass man für die Nachbesser­ung ein Jahr brauche.

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