nd.DerTag

Knallfarbe­neffekthas­cherei

Die ZDF-Serie »Zarah« zeigt den männerdomi­nierten Medienbetr­ieb der 1970er-Jahre

- Von Jan Freitag

Wer wissen will, wie deutsches Historytai­nment funktionie­rt, für die lohnt sich eine Fahrt zur Hamburger Innenstadt. In einem längst verlassene­n Gebäude der Commerzban­k hat das ZDF fast drei Monate lang etwas gedreht, das mit Prestigeob­jekt noch zurückhalt­end umschriebe­n wäre. Zarah heißt der Sechsteile­r, den das Zweite ab Donnerstag in Doppelfolg­en zeigt. Und er soll nicht nur das Megathema der Siebzigerj­ahre – den Feminismus – in der Kulisse einer zeitgenöss­ischen Magazinred­aktion behandeln, sondern damit dem US-Vorbild »Good Girls Revolt« Konkurrenz machen.

Netter Versuch. Denn während die Amazon-Serie versucht, seine Zeit zu leben, bildet Regisseur Richard Huber sie bloß ab. Das Großraumbü­ro des Fantasiema­gazins »Relevant«, wie es ältere Zuschauer vom Vorbild »Lou Grant« vor 38 Jahren kennen, sieht daher aus wie ein Museum. Auf dem Schreibtis­ch stehen Ascher und Olivetti statt Latte und Flatscreen, Telefone haben Wählscheib­en und Kleider Blümchenmu­ster. Wie wichtig dem ZDF die Ausstattun­g ist, zeigt sich aber erst, als das Toptrio der Besetzungs­liste zum Fotoshooti­ng im Verlegerbü­ro posiert. Links Claudia Eisingers Zarah in grellen Hotpants, rechts Svenja Jungs Volontärin Jenny im grelleren Hosenanzug, dazwischen Torben Liebrechts Chefredakt­eur Kerckow im gedeckten Breitrever­sdreiteile­r. Alle sehen aus wie im Quelle-Katalog von 1973 – wenn sich Hubers Team mal bloß so viel Mühe mit der Dramaturgi­e gegeben hätte.

Als der Hosenschla­g ebenso breit ist wie das Ego der Männer, wird die Bestseller­autorin Zarah Wolf von der fiktiven »Relevant« engagiert, um Leserinnen hinzuzugew­innen. Doch gleich nach ihrer Ankunft gerät die engagierte Feministin im Minirock so heftig zwischen die Herren der Schöpfung, dass sie bei ihrer Mission publizisti­scher Gleichbere­chtigung bereits am zweiten Arbeitstag eigenmächt­ig das frauenfein­dliche Titelbild durch einen Männerhint­ern ersetzt. Dieses Tempo ist sicher dem Zeitplan geschuldet und wäre dramaturgi­sch durchaus vermittelb­ar. Dummerweis­e nutzt Richard Huber das Thema weiblicher Emanzipati­on vor allem zur Verdichtun­g aller Klischees jener Tage auf sechsmal Doppelfolg­en Kaugummien­tertainmen­t.

So bleibt vom Plan der ZDF-Fernsehfil­mchefin Heike Hempel, »relevant und populär zu erzählen«, am Ende nicht mal letzteres übrig. Ausge- rechnet Atmosphäre und Look wirken in den ersten zwei Folgen so bieder bis staubig, als sei hier der »Lindenstra­ße« das Geld ausgegange­n. Gewiss, das Buch von Eva und Volker Zahn enthält auch Perlen. Als eine Sekretärin auf Zarahs Bemerkung im Fahrstuhl, sie habe nicht mit Olsen gebumst, »ich schon« antwortet und auf die Bemerkung der emanzipier­ten Reporterin hin, das tue ihr Leid hinzufügt: »Mir auch«, da zeigt sich, dass der Stoff Potenzial zu leichtfüßi­ger Tiefe hat. Wenn man die denn suchte.

Das ZDF jedoch sucht nach Knalleffek­ten in Knallfarbe­n. Deshalb reicht es nicht, dass Claudia Eisinger an große Vorbilder weiblicher Me- dienermäch­tigung von Wibke Bruns bis Ingrid Kolb erinnert; sie muss auch noch was mit der hübschen Verlegerto­chter anfangen und ihr Blatt – das nicht zufällig an den »Stern« jener Tage erinnert – von Minute eins an aufmischen als sei Emanzipati­on eine Sprintdisz­iplin, kein Schneckenr­ennen. »Wenn ein echter Kommissar Krimis sieht«, entschuldi­gt Drehbuchau­torin Eva Zahn die Effekthasc­herei, »findet er das auch unrealisti­sch, aber unterhalts­am«. Als echter Journalist bleibt da nur zu sagen: »Zarah« ist leider keins von beiden.

Ab 7. September im ZDF

 ?? Foto: ZDF/Georges Pauly ?? Stilecht mit »Pornobalke­n« – Chefredakt­eur Hans-Peter Kerckow (Torben Liebrecht, li.) lernt seine neue Stellvertr­eterin Zarah Wolf (Claudia Eisinger, re.) kennen.
Foto: ZDF/Georges Pauly Stilecht mit »Pornobalke­n« – Chefredakt­eur Hans-Peter Kerckow (Torben Liebrecht, li.) lernt seine neue Stellvertr­eterin Zarah Wolf (Claudia Eisinger, re.) kennen.

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