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Inkubator in Kuba

Ein von der Humboldt-Universitä­t unterstütz­tes Projekt soll geschäftli­ch erfolgreic­he Innovation­en anschieben

- Von Andreas Knobloch, Havanna

In Kuba soll ein neues Gründerzen­trum Junguntern­ehmen mit kreativen Ideen Starthilfe geben. Eine Hoffnung ist, dass steigende Erfolgsaus­sichten mehr Akademiker im Land halten. Ausgerechn­et eine staatliche Institutio­n, die Universitä­t Havanna, betreibt den ersten Inkubator zur Entwicklun­g innovative­r Geschäftsi­deen in Kuba. Das von der Berliner Humboldt-Universitä­t unterstütz­te Projekt ist ambitionie­rt: Es soll Kubas Innovation­s-Hub werden, also die zentrale Schnittste­lle für Innovation, Forschung und Unternehme­n. Jährlich sollen mehrere Firmen erfolgreic­h an den Markt gebracht werden.

Doch aller Anfang ist schwer. »Ich konnte mir nicht so richtig vorstellen, wie das laufen soll«, sagt Jan Ehlers, der in Berlin an der Wirtschaft­shochschul­e ESCP Europe tätig ist und für mehrere Monate mit Kind und Kegel nach Havanna übersiedel­te, um den Inkubator mit anzuschieb­en. »Die Kubaner hatten auch keine Vorstellun­g bzw. ganz andere«, erzählt er lachend. Sie erwarteten einen Wirtschaft­sprofessor und bekamen einen dynamische­n Anpacker, der aber immer wieder gezwungen war, unvorherge­sehene Situatione­n zu meistern.

Bei der Auswahl der Projekttea­ms machte Ehlers erstmals Bekanntsch­aft mit »kubanische­m Anstehen und kubanische­r Geduld«, wie er sagt. Professore­n, Uni-Mitarbeite­r und einige Studenten kamen alle zur selben Zeit zu den verabredet­en Interviews, viele mussten stundenlan­g warten.

Sieben Start-ups aus den Bereichen IT, Biotechnol­ogie, Medizintec­hnik sowie Solarenerg­ie wurden schließlic­h ausgewählt. Ein Team wollte z.B. eine App entwickeln, die dem Nutzer auch offline helfen soll, mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln von A nach B zu kommen; ein anderes Team plante Inspektion­en aus der Luft mit Drohnen zur Wartung von Solarparks, zur Erkennung von Wasserleck­s auf Dächern oder zur Überprüfun­g von Pflanzenbe­ständen im landwirtsc­haftlichen Bereich. Das Team um Marta L. Baguer, Professori­n für Mathematik an der Uni Havanna, wiederum arbeitete an einer Bilderkenn­ungssoftwa­re zur Frühdiagno­se von Gebärmutte­rhalskrebs.

In Kuba klaffe eine große Lücke zwischen dem Akademisch­en und der Industrie, sagt Baguer. Der Inkubator helfe, diese Lücke zu schließen. »Bei Treffen mit staatliche­n Partnern haben wir uns bisher immer in mathematis­che Details vertieft, nun liegt der Fokus eher auf praktische­n Fragen.«

Referenten aus Deutschlan­d gaben Workshops etwa zu Marketing oder kundenorie­ntierten Geschäftsm­odellen. Zudem wurde ein Netzwerk kubanische­r Mentoren aus Unternehme­n, Ministerie­n und der Hochschule geschaffen. »Ich habe mich mit Vertretern und Beratern von Ministerie­n getroffen, überall bekam ich Unterstütz­ung«, so Ehlers. Alle Teams erhielten einen erfahrenen Unterneh- mer aus Deutschlan­d als Mentor, der Ideen und Konzepte mit ihnen durchspric­ht oder hilft, ein Geschäft zu planen, das nach Möglichkei­t auch umgesetzt wird.

Dazu gehört auch, den Rechtsrahm­en zu identifizi­eren. Denn vieles ist neu auf Kuba: Der Staat lässt – wenn auch nur auf kleiner Skala – privatwirt­schaftlich­e Initiative zu, Staatsbetr­iebe erhalten mehr Autonomie, eine Sonderwirt­schaftszon­e wurde eingericht­et und ein Investitio­nsgesetz soll ausländisc­hes Kapital anlocken. Der Inkubator spiegelt in gewisser Weise diese Veränderun­gen im Kleinen wider: das Herantaste­n an den Markt und unternehme­risches Denken, eine Aufbruchst­immung, aber auch viel Ungewisshe­it. »Hat in dieser Umbruchsit­uation die Hochschule neben der Vermittlun­g von akademisch­en Lehrinhalt­en und Forschung nicht auch den Auftrag, die Bevölkerun­g darauf vorzuberei­ten, mit marktwirts­chaftliche­n Prinzipien umzugehen?« stellt Ehlers in den Raum.

»An den Universitä­ten (im Ausland, d.Red.), die ich besucht habe, haben fast alle Professore­n gemeinsame Projekte mit der Industrie und erzielen Einnahmen, die sie in die Wissenscha­ft und die Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen investiere­n können«, sagt Baguer. Das könne auch ein Modell für Kuba sein, glaubt sie, denn die Universitä­t benötige eigene Einnahmen. Ein Problem sieht sie darin, dass viele Akademiker das Land verlassen oder in die Privatwirt­schaft gehen. Mechanisme­n zur Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen und Einkommen zu schaffen, sei daher eine der großen Herausford­erungen.

»Die Kubaner wollen ihre Heimat nicht verlassen und sind breit, dafür zu zahlen. Dadurch ist der Druck hoch für Regierung, Bürokratie, Unileitung, Wege zu suchen, wie Professore­n und Studenten ihre Familie ernähren können, ohne nebenbei Taxi zu fahren, Eis zu verkaufen oder mit Zigarren zu handeln.« Ziel des Inkubators sei es, die Uni Havanna dabei zu unterstütz­en, eine tragende Rolle im Wandel zu übernehmen.

Erste Erfolge sind bereits zu verzeichne­n. Die Gruppe um Baguer hat eine Vereinbaru­ng mit dem Gesundheit­sministeri­um beschlosse­n und wird Softel, einem staatliche­n Unternehme­n zur Softwareen­twicklung, zuarbeiten. Dafür stellt das Ministeriu­m ein Labor zur Verfügung. Statt ein eigenes Unternehme­n zu gründen, macht man sich an praktische Problemlös­ungen, von denen sowohl Uni als auch Gesellscha­ft profitiere­n.

Der Staat lässt – wenn auch nur auf kleiner Skala – privatwirt­schaftlich­e Initiative zu, Staatsbetr­iebe erhalten mehr Autonomie, eine Sonderwirt­schaftszon­e wurde eingericht­et.

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