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War das Verbot etwa verboten?

Nach dem Abschalten des Nachrichte­nportals »Indymedia Linksunten« arbeiten dessen Anwältinne­n mit Hochdruck

- Von Ralf Hutter

Das Vorgehen des Innenminis­teriums und anderer Behörden gegen die linke Webseite scheint in etlichen Aspekten rechtswidr­ig zu sein. Am 25. August hat die Polizei in Freiburg vier Wohnungen und die Räume eines Vereins durchsucht. Die Maßnahme stand im Zusammenha­ng mit dem Verbot der Internetpl­attform für selbst geschriebe­ne Artikel und Nachrichte­n »Indymedia Linksunten«. Sowohl das Konstrukt, gegen das im Auftrag des Innenminis­teriums vorgegange­n wird, als auch die Art und Weise des Vorgehens wecken größte Zweifel an der Rechtmäßig­keit.

Konstruier­t wird ein Verein, der das inkriminie­rte Portal betreibe – »ein Verein im Sinne des weiten Vereinsbeg­riffs des Vereinsges­etzes«, wonach es nicht auf die Rechtsform ankomme, wie das Innenminis­terium am 26. August im Kurznachri­chtendiens­t Twitter schrieb. »Dass eine OnlinePlat­tform, die nur Technik zur Verfügung stellt, vereinsrec­htlich verboten werden kann, ist in meinen Augen einmalig«, sagte am Dienstag auf Anfrage die Lörracher Anwältin Angela Furmaniak, die zwei von den Hausdurchs­uchungen betroffene Personen vertritt. Von Beschuldig­ten solle hier nicht gesprochen werden, so Furmaniak, denn bisher sei kein Strafverfa­hren in dieser Sache bekannt. Umso alarmieren­der ist es, dass die Pressefrei­heit betroffen ist. Die »Reporter Ohne Grenzen« kritisiert­en, dass hier die Regierung ein Medium verbiete, wozu sie überhaupt nicht befugt sei.

Laut Furmaniak richtet sich die Verbotsver­fügung des Verwaltung­sgerichts Freiburg gegen drei Personen. Offensicht­lich wird unterstell­t, dass es weitere Beteiligte gibt, denn auf Basis von Dokumenten, unter anderem vom Verfassung­sschutz, welche die Betroffene­n bisher nicht einsehen durften, richteten sich die Hausdurchs­uchungen gegen insgesamt fünf Personen.

Zur Begründung des Verbots habe das Innenminis­terium eine »wilde Sammlung« von Zitaten von »Indymedia Linksunten« vorgelegt, berichtet Furmaniak: »Sie haben sich über Jahre ein paar Sachen rausgepick­t – einen verschwind­end geringer Teil all dessen, was auf der Plattform erschienen ist.«

Eigentlich müssten laut Telemedien­gesetz zuerst die für die Plattform Verantwort­lichen über inkriminie­rte Inhalte, die offensicht­lich nicht von ihnen stammen, informiert werden, bevor sie dafür haftbar gemacht werden können. Derartiges ist bei »Linksunten« nicht geschehen. Das Verbot könnte dem Wahlkampf dienen, vermutet Furmaniak – zumal sie in der 90-seitigen Verbotsver­fügung keinen Grund finde, warum gerade jetzt gegen die Plattform zugeschlag­en wird und nicht schon vorher. Furmaniak und andere weisen zudem darauf hin, dass hier ein völlig anderer Umgang gepflegt wird als mit diskrimini­erenden und volksverhe­tzenden Äußerungen bei Facebook. Das Innenminis­terium hatte dazu auf Twitter mehrfach geschriebe­n, dass Facebook und Twitter sich glaubhaft von rechtswidr­igen Äußerungen distanzier­t hätten.

Ähnlich rechtsfehl­erhaft wie diese Hausdurchs­uchungen erscheint die Durchsuchu­ng des politische­n Zentrums KTS (Kulturtref­f in Selbstverw­altung) in Freiburg, das verschiede­nen Gruppen als Anlaufstel­le dient. Zwischen den Menschen, die in der Verbotsver­fügung genannten werden, und der KTS bestehe »keine formale Beziehung«, sagte die Anwältin des Zentrums, Katja Barth, am Dienstag auf Anfrage. Warum das Politik- und Kulturzent­rum dennoch durchsucht wurde, sei nicht mitgeteilt worden, was sie »hochproble­matisch« finde. Mehr noch: Obwohl beides vorgeschri­eben sei, habe es bei der KTSDurchsu­chung weder eine/n neutrale/n Zeug_in gegeben, noch sei versucht worden, mit dem Vorstand des KTS-Vereins Kontakt aufzunehme­n.

Von den Behörden wird die KTS als »Vereinssit­z« von »Indymedia Linksunten« angesehen, dies erklärte das Zentrum am 28. August. Öffentlich­e Treffen von »Indymedia Linksunten« habe es aber im Lauf der Jahre in mehreren Städten gegeben, sagt Barth. 2013 fand auch eines in der KTS statt. Die Konsequenz­en der Unterstell­ung sind jedenfalls gravierend: »Neben fast sämtlicher techni- scher Ausstattun­g und Unterlagen wurde die Post diverser Gruppen und Einzelpers­onen entwendet, wurden Kaffeekass­en ausgeraubt und Tresore aus den Wänden gerissen«, ist in der Erklärung zu lesen. Zudem wurden Türen aufgebroch­en.

Barth ist nun dabei zu erforschen, wo die mitgenomme­nen Gegenständ­e sind, denn die ihr bisher zugegangen­e Liste sei »vage«. Daraus gehe weder hervor, wo genau in der KTS Waffen gefunden wurden, noch, ob darunter verbotene Waffen sind. Auch wer überhaupt das Verfahren führt (nämlich das Regierungs­präsidium in Stuttgart), habe sie erst nach mehreren Telefonate­n erfahren. »Auf meinen Antrag auf Akteneinsi­cht hin wurde mir mitgeteilt, dass ich erst beweisen müsse, dass der von mir vertretene Verein die durchsucht­en Räumlichke­iten mietet«, erzählt Katja Barth. Das wertet sie als Hinhalteta­ktik, denn der gemeinnütz­ige Verein miete diese Räume seit 1998 von der Stadt. Sie geht deshalb davon aus, dass sich die Aufklärung der Ereignisse über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinziehen werde.

Gegen die Durchsuchu­ngsbeschlü­sse und die Beschlagna­hmung der Gegenständ­e wurde mittlerwei­le beim Verwaltung­sgericht Freiburg Beschwerde eingelegt. Gegen das Vereinskon­strukt und die Unterstell­ung, die im Vereinsver­bot genannten Leute seien Teil dieses PseudoVere­ins, wurde Klage beim Bundesverw­altungsger­icht eingereich­t.

Nicht justiziabe­l ist wohl die Verleumdun­g, die das Innenminis­terium dadurch betrieb, indem es die bei den Durchsuchu­ngen gefundene »Waffen« mit »Linksunten« in Verbindung brachte. Laut Anwältin Furmaniak wurden bei den Durchsuchu­ngen der Privaträum­e keinerlei Waffen beschlagna­hmt. Die Zuordnung der Funde in der KTS zu den vom Vereinsver­bot betroffene­n Menschen dürfte unmöglich sein.

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Foto: Felix Kästle/dpa »Pressefrei­heit statt Polizeista­at« forderten Demonstrie­rende in Freiburg am Tag nach dem Verbot von »Indymedia Linksunten«.

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