Festnahmen im Schmiergeldskandal um Olympia in Rio
Ein Gouverneur sitzt schon hinter Gittern, der NOK-Präsident könnte bald folgen. Bei der Vergabe der Spiele von 2016 soll viel Geld an IOC-Mitglieder geflossen sein
Eine Großrazzia in Rio de Janeiro soll Bestechungsvorwürfe rund um die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2016 aufklären. Hochrangige Politiker und Funktionäre stehen im Visier. Carlos Arthur Nuzman steht mehr denn je im Verdacht, die Olympischen Spiele von 2016 mit Schmiergeldzahlungen nach Rio de Janeiro geholt zu haben. Nach einer Großrazzia werden dem Präsidenten des Brasilianischen Olympischen Komitees und dem bereits verhafteten ExGouverneur Sergio Cabral eine »ausgetüftelte und komplexe Korruptionsverflechtung« vorgeworfen. Am frühen Dienstagmorgen hatten Justizbeamte bei Nuzman vermeintliches Beweismaterial sichergestellt.
Der 75-jährige Chef des Comitê Rio 2016 musste zudem zum Verhör auf die Wache, während der Sitz des Or- ganisationskomitees der Spiele durchstöbert, zwei Haftbefehle vollstreckt und insgesamt elf Häuser durchsucht wurden. Nuzmans Anwalt Sergio Mazzillo stritt alle Vorwürfe ab: »Wir haben noch keinen Einblick in die Akten. Aber ich kann schon jetzt versichern, dass er keine Unrechtmäßigkeiten begangen hat. Leider läuft hier ein mediales Spektakel ab.«
Die Operation »Unfair Play« hat auch den Großunternehmer Arthur Soares im Visier, in Rio wegen seines Einflusses in höchste politische Kreise nur »König Arthur« genannt. Der 57-Jährige hält sich wohl in seinem US-Wohnsitz in Miami auf, steht aber bereits auf der Fahndungsliste von Interpol. Seine Ex-Geschäftspartnerin Eliane Calvacante wurde in Rio dingfest gemacht. Die Metropole hatte bei der Ausrichterwahl im Oktober 2009 im ersten Wahlgang mit 26 Stimmen noch hinter Madrid (28) gelegen, stach in den folgenden beiden Runden aber Spaniens Hauptstadt Glücklichere sowie am Ende Tokio mit 66:32 aus. Soares und Calvacante sollen wenige Tage vor der Vergabe Papa Massata Diack 1,5 Millionen Dollar gezahlt haben – ausdrücklich auf Geheiß von Sergio Cabral, zu jener Zeit Ministerpräsident des Bundeslandes Rio, seit November 2016 wegen Korruption in Haft. Diack ist Sohn von Lamine Diack, damals als Präsident des Leichtathletikweltverbandes stimmberechtigtes Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Zunächst sollte Cabral das Schmiergeld selbst für die Vergabe eines öffentlichen Auftrages bekommen. Doch »König Arthur« erhielt die Anweisung, die zwei Millionen Dollar an afrikanische IOC-Mitglieder für Stimmen zugunsten Rios zu verwenden. Bereits im März hatte die französische Zeitung »Le Monde« behauptet, dass der frühere Leichtathletikstar Frankie Fredericks 500 000 Dollar eingestrichen haben soll. Laut Staatsanwaltschaft von Rio war Nuz- man »der verantwortliche Vermittler«, der Mann, der »die Verbindungen ölte«.
Die vor neun Monaten eingeleitete und von der französischen Justiz begleitete Untersuchung deckte Zahlungen in bar, über Scheingeschäfte oder per Vergütung persönlicher Auslagen auf, wobei vor allem ein Geschäftskonto von Soares auf den Karibikinseln Antigua und Barbuda genutzt wurde. Die Haftbefehle wurden wegen des Verdachts auf »Korruption, Geldwäsche und Bildens einer kriminellen Organisation« erlassen.
Frankreichs Staatsanwaltschaft liegt eine Zeugenaussage vor, wonach Nuzman wiederum im Gegenzug für seine Stimme zugunsten Sotschis bei der Vergabe der Winterspiele 2014 die russische Staatsbürgerschaft erhalten habe. Um eine Flucht nach Russland zu vermeiden, mit der er sich der Strafverfolgung entziehen könnte, sei nun sein Reisepass einkassiert worden.