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Wiedereing­liederung kann Hartz-IV-Mehrbedarf begründen

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Das erklärte das Landessozi­algericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem am 31. Mai veröffentl­ichten Beschluss (Az. L 1 KR 702/16).

Nach dem Gesetz müssen Krankenkas­sen »zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen« über einen Leistungsa­ntrag entscheide­n. Ist ein Gutachten des MDK erforderli­ch, muss die Kasse den Antragstel­ler hierüber unterricht­en, und die Frist verlängert sich auf fünf Wochen. Kann die Kasse diese Fristen nicht einhalten, muss sie den Versichert­en ebenfalls informiere­n.

Im jetzt entschiede­nen Fall hatte eine Mutter im Juni 2015 die Kostenüber­nahme für eine Mutter-Kind-Kur bei ihrer Krankenkas­se beantragt. Die Kasse informiert­e die Frau darüber, dass sie den Antrag an den MDK weitergele­itet habe.

Sechs Wochen später lehnte die Kasse die Kostenüber­nahme ab. Die Frau habe in den letzten vier Jahren bereits eine Mutter-Kind-Kur erhalten. Eine weitere Kur sei daher nicht möglich.

Das Landessozi­algericht verpflicht­ete die Krankenkas­se zur Kostenüber­nahme. Denn die Kasse habe nicht innerhalb der hier vorgeschri­ebenen fünf Wochen über den Antrag entschiede­n. Damit gelte dieser Antrag als fiktiv genehmigt.

Ohne Erfolg hatte die Krankenkas­se argumentie­rt, dass die Genehmigun­gsfiktion nur für Anträge gelten könne, bei denen Versichert­e bereits in Vorleistun­g gegangen sind. Dies war hier bei der Mutter nicht der Fall.

Die Richter verwiesen auf die Rechtsprec­hung des Bundessozi­algerichts. Aus dem Urteil des BSG vom 8. März 2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) gehe klar hervor, dass die Genehmigun­gsfiktion auch gelte, wenn der Versichert­e für die Leistung nicht in Vorkasse gegangen ist. Anderenfal­ls würden mittellose Versichert­e, die nicht diese finanziell­e Möglichkei­t haben, benachteil­igt. epd/nd Hartz-IV-Aufstocker können in der Phase der Wiedereing­liederung nach langer Krankheit einen Hartz-IV-Mehrbedarf für Behinderte geltend machen. Ein Erwerbstät­igenfreibe­trag ist jedoch nicht zu berücksich­tigen.

So urteilte das Bundessozi­algericht (BSG) in Kassel am 5. Juli 2017 (Az. B 14 AS 27/16 R).

Im konkreten Fall musste der dialysepfl­ichtige Kläger krankheits­bedingt in seinem Job aussetzen. Die Deutsche Rentenvers­icherung Bund zahlte ihm nach Abschluss der stationäre­n medizinisc­hen Reha Übergangsg­eld. So sollte die stufenweis­e Wiedereing­liederung in die Erwerbsarb­eit ermöglicht werden. Der Arbeitgebe­r zahlte während der Wiedereing­liederung keinen Lohn.

Da das Übergangsg­eld nicht ausreichte, beantragte der behinderte Mann noch Hartz-IVLeistung­en. Das Jobcenter in Straubing berücksich­tigte bei der Berechnung der Leistungen eine Versicheru­ngspauscha­le, einen Betrag für die Kfz-Haftpflich­tversicher­ung und Fahrkosten, nicht aber den gesetzlich­en Erwerbstät­igenfreibe­trag von 100 Euro monatlich.

Das Bundessozi­algericht sprach dem Kläger nun höhere Hartz-IV-Leistungen zu. Allerdings könne er keinen Erwerbstät­igenfreibe­trag während seiner Wiedereing­liederung geltend machen. Das gezahlte Übergangsg­eld stelle kein Erwerbsein­kommen dar, das den Freibetrag begründen könne. Denn während der Wiedereing­liederung werde keine echte Arbeitslei­stung erbracht.

Allerdings könne der Kläger einen Mehrbedarf für Behinderte in Höhe von 123,55 Euro monatlich beanspruch­en. Zwar sei kein Grad der Behinderun­g festgestel­lt worden, der Kläger sei aber wegen seiner Dialysepfl­icht als behinderte­r Mensch anzusehen. epd/nd

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Foto: dpa/Matthias Balk Eine Chemothera­pie muss nicht immer stationär erfolgen, sondern kann auch ambulant vorgenomme­n werden.

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