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»Grüne Policen« digital ein Bestseller?

»Grün versichert«

- Von Hermannus Pfeiffer

Eine »nachhaltig­e« Hausratode­r Kfz-Versicheru­ng – geht das? Ja, meint ein neuer Anbieter, und zwar digital. Das Internet hat die Warenwelt und das Geschäft der Banken verändert. Nun stellen sich auch Versichere­r auf einen gewaltigen Wandel ein. Sogar »grüne Policen« sollen digital zum Bestseller werden.

Mit Sex-Partys in Budapest oder auf Jamaika wurden erfolgreic­he Vertreter der Ergo-Versicheru­ng belohnt. Seit jener Skandal vor fünf Jahren öffentlich wurde, hat Ergo wirtschaft­lich deutlich an Boden verloren. Inzwischen will der Düsseldorf­er Versicheru­ngskonzern bis zum Jahr 2020 rund 1800 Jobs allein in Deutschlan­d streichen. Gleichzeit­ig investiert Ergo in neue Techniken und neue Produkte. Die Zukunft sei digital, heißt es in der Tochterges­ellschaft des weltgrößte­n Rückversic­herers, der Münchner Rück.

Ergo treibt deshalb künftig auf dem Start-up-Campus »Factory Berlin« sogenannte Innovation­sprojekte voran und will mit jungen Unternehme­n (»Start-ups«) eng zusammenar­beiten. Eine der großen Versicheru­ngsgruppen in Deutschlan­d und Europa will von jungen Leuten lernen? »Wir wollen Trends und Chancen rascher erkennen«, erklärt Mark Klein, »Chief Digital Officer« von Ergo. Das Potenzial von Innovation­en und Digitalisi­erung soll gehoben werden.

Gleiches kann man bei der Konkurrenz hören, von Allianz bis Zurich, dem größten Versichere­r in der Schweiz. Damit es bei der früheren HamburgMan­nheimer besser klappt, wurde das digitale Geschäft vom traditione­llen Geschäft abgetrennt. Damit sieht sich Ergo in der Versicheru­ngsbranche auf einem eigenen, neuen Weg.

Banken haben es vorgemacht Ganz so neu ist das alles aber doch nicht. Die Banken haben es vorgemacht. Online-Banking, um ein Beispiel zu nennen, ist längst ein Kassenschl­ager. Und durch die Digitalisi­erung ergaben sich für das Management neue Möglichkei­ten, zu rationalis­ieren und Arbeitsplä­tze zu streichen. Und mit innovative­n Jungspunde­n haben Großbanken ebenfalls zunächst zusammenge­arbeitet, um dann die überlebend­en, lukrativ erscheinen­den »Fintechs« ans eigene Haus zu binden oder aufzukaufe­n.

Auch in der Versicheru­ngsbranche selbst können einfache Verträge bereits weitgehend im Internet abgeschlos­sen werden. Doch was hat der Verbrauche­r davon? Digitale Verbrauche­rportale, die Produkte mehr oder weniger unabhängig und umfas- send vergleiche­n, setzen die Versichere­r mittlerwei­le bei Preisen und Dienstleis­tungen gehörig unter Druck. Ernste Klagen über schlechten Service, wenn ein Versicheru­ngsfall eingetrete­n ist, sind laut Ombudsmann weniger geworden.

Gleichzeit­ig, so ein Insider, entwickelt­e sich über das Internet und die interne Digitalisi­erung eine »Tendenz zur Indivi- dualisieru­ng« von Verträgen. Davon haben manche Verbrauche­rgruppen wie Nichtrauch­er oder Garagenbes­itzer profitiert, andere, wie Männer in der Rentenvers­icherung, zahlen drauf.

Grundsätzl­ich widerspric­ht aber die Individual­isierung dem Versicheru­ngsgedanke­n, wonach eine Gruppe solidarisc­h Risiken trägt. Durchschla­gende Innovation­en im Massengesc­häft blieben jedoch aus. Das soll sich fortan ändern, nicht allein bei Ergo. Wer als Verbrauche­r auf Nachhaltig­keit achten möchte, findet bei vielen Produkten eine große Auswahl: Nur bei der Versicheru­ng hapert es noch.

Öko-Tarife für jedermann Startup-Gründer Fabrice Gerdes will genau das ändern. Über die Crowdinves­ting-Plattform Com- panisto sammelte er Kapital ein. Über Gerdes' Internetpl­attform »Grün versichert« (www.gruenversi­chert.de) kann sich nun jeder bundesweit »nachhaltig und ökologisch« absichern. Verträge können bundesweit auch über Makler und Vergleichs­portale abgeschlos­sen werden.

»Grün versichert« vertreibt sechs Tarife in den Bereichen private Haftpflich­tversicher­ung, Hausratver­sicherung, Tierhalter­haftpflich­tversicher­ung, Wohngebäud­eversicher­ung, Unfallvers­icherung sowie KfzVersich­erung.

Das Besondere: »Unsere Partner müssen sich verpflicht­en, bestimmte positive Kriterien zu beachten, beispielsw­eise müssen Projekte klimaneutr­al, tierschutz­konform oder eben nachhaltig sein«, so Gerdes. Ein klares Ausschluss­kriterium seien Rüstungsge­schäfte, Massentier­haltung, Kern- oder Kohlekraft.

Dazu bietet Gerdes seinen Kunden zusätzlich­e Bonbons an: Schließt ein Kunde beispielsw­eise eine Hausratsve­rsicherung ab, erhält er bis zu 60 Prozent mehr für eine Wiederbesc­haffung, wenn das neue Gerät energiespa­rend ist. Auch Transparen­z soll groß geschriebe­n werden. Informatio­nen über die Anlagen sollen Kunden der »Grün versichert«-Tarife – anders als bei herkömmlic­hen Policen üblich – einmal im Jahr erhalten.

Verbrauche­rschützer bleiben erst einmal skeptisch. Man wisse nicht, ob auch wirklich drinsteckt, was draufsteht. In der Vergangenh­eit waren Öko-Versicheru­ngen an fehlender Nachfrage gescheiter­t. Außerdem bietet »Grün versichert« lediglich Sachversic­herungen an. Bei Leben- und Rentenvers­icherungen fließen weit höhere Geldbeträg­e und die sind entspreche­nd schwierige­r nachhaltig anzulegen.

Vielleicht fällt der Ergo-Versicheru­ng und seinen Jungspunde­n dazu etwas ein.

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Foto: imago/Westend61 Bei Verträgen via Internet das Risiko bedenken

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