Ein Dramatiker
Seit Donnerstag steht die Autobiografie des ehemaligen Topmanagers Thomas Middelhoff zum Verkauf. Vor drei Jahren war er wegen Untreue zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Nun ist Middelhoff das Wagnis eingegangen, sich selbst ein Drama zu verfassen.
Die Erzählung geht so. Ein Narziss wird Chef des Großkonzerns Arcandor, berauscht sich am Gift öffentlicher Anerkennung. »Hart, schnell, einflussreich«, ein Leben auf der Überholspur. Doch plötzlich Verhaftung und Verurteilung – aus fadenscheinigem Grund, wird ausdrücklich betont. Doch in der Haft läutert sich unser Held. Seine Ehe zerbricht, sein Vermögen zerrinnt, aber er findet endlich zu sich, findet zu Gott. Wiedererlangte Freiheit dank Rückzug in die Innerlichkeit. Anleihen an Maria Stuart.
»A115 – der Sturz« (titelgebend ist Middelhoffs Zellennummer in der JVA Essen) ist natürlich keine große Literatur. Doch lässt man den Kitsch beiseite, bleibt das Buch ein treffliches Pamphlet über Missstände im Strafvollzug.
In den Haftanstalten herrsche eine Subkultur von Gewalt, Drogen Erpressung und Missbrauch, klagt Middelhoff an. Häftlinge würden aus Personalknappheit in Zellen weggesperrt. Unter dem Personal befänden sich brutale Ex- Soldaten. Die wenigen Psychologen verschwendeten ihre Zeit mit Prognosegutachten, statt sich Patienten zu widmen. Islamisten rekrutierten Verlorene. Andere versinken im Drogenexzess – »Die Reform des deutschen Strafvollzugs ist erkennbar überfällig.«
Gut, dass Middelhoff das zur Sprache bringt. Auch wenn er unablässig nach klebrigem Heldentum heischt. Etwa durch die Schilderung, wie er nach einer antisemitischen Äußerung eines Mithäftlings »unter Dusche als Christ das Judentum verteidigt«, nur um anzumerken, dass die »United Jewish Association« ihm im Jahr 2000 einen Verdienstorden verlieh – und das als erstem Deutschen. Obendrein stellt Middelhoff dem Kapitel ein Zitat des Widerständlers Dietrich Bonhoeffer voran. Pathos, aus vollem Rohr.
Nein, dieser Narziss ist nun wirklich nicht geläutert.