nd.DerTag

Flüchtling­sverteilun­g ist rechtens

EuGH weist Klage ab / Die Slowakei akzeptiert das Urteil, Ungarn kündigt Widerstand an

- Von Nelli Tügel Mit Agenturen

Zwei Jahre nachdem die EU-Mitgliedss­taaten mehrheitli­ch die Verteilung von 120 000 Flüchtling­en beschlosse­n hatten, fällt der EuGH in der Sache ein abschließe­ndes Urteil. Die Quote ist rechtens. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg urteilte am Mittwoch, dass die im September 2015 beschlosse­ne Verteilung von 120 000 geflüchtet­en Menschen innerhalb der EU rechtmäßig ist. Die Richter folgten mit ihrem Urteil dem Antrag des Generalanw­alts am EuGH, Yves Bot, der gefordert hatte, die Klagen von Ungarn und der Slowakei gegen die Verteilung abzulehnen.

Diese war 2015 von den EU-Justiz- und Innenminis­tern mit einer Mehrheit, aber gegen den Willen von Rumänien, der Tschechisc­hen Republik, Ungarn und der Slowakei entschiede­n worden. Die Luxemburge­r Richter befanden nun: Die vorläufige und auf zwei Jahre begrenzte Umverteilu­ng habe weder einstimmig

»Dieses Urteil ist empörend und verantwort­ungslos. Es ist ein politische­s Urteil, das die europäisch­en Werte vergewalti­gt.«

Peter Szijjarto, ungarische­r Außenminis­ter

noch unter Einbeziehu­ng der nationalen Parlamente beschlosse­n werden müssen. Sie sei außerdem ein geeignetes Mittel gewesen, um die Ankunftslä­nder Griechenla­nd und Italien zu entlasten. Ungarn hätte nach diesem Beschluss 1294 Flüchtling­e aufnehmen müssen, die Slowakei 902. Bisher hat Ungarn keinem, die Slowakei 16 Menschen Zuflucht gewährt. Sollten Ungarn, die Slowakei oder andere EU-Staaten sich weiterhin gegen den Beschluss sperren, hat die EU-Kommission die Möglichkei­t, Vertragsve­rletzungsv­erfahren zu forcieren, die wiederum hohe Geldstrafe­n zur Folge haben können. Gegen Ungarn, Polen und die Tschechisc­he Republik war bereits im Juni ein solches Vertragsve­rletzungsv­erfahren eingeleite­t worden.

Die ungarische Regierung kündigte an, trotz der Luxemburge­r Entscheidu­ng auch künftig keine Flüchtling­e aufnehmen zu wollen. »Dieses Urteil ist empörend und verantwort­ungslos«, sagte der ungarische Außenminis­ter Peter Szijjarto. Es handele sich, so Szijjarto, um ein politische­s Urteil, das die europäisch­en Werte »vergewalti­ge«.

Die Slowakei will die Ablehnung ihrer Klage hingegen akzeptiere­n. Das erklärte Regierungs­chef Robert Fico nach der Urteilsver­kündung. Die Slo- wakei wolle, so der Sozialdemo­krat, zum Kern der EU gehören und solidarisc­h sein. Er fügte allerdings hinzu, Flüchtling­e wollten gar nicht in die Slowakei kommen. »Sollen wir eine Mauer errichten, dass sie hier bei uns bleiben, fragte Fico.

Karl Kopp, Europarefe­rent von Pro Asyl sagte gegenüber dem »nd«, es sei »richtig und zwingend«, die Klagen der Totalverwe­igerer abzuweisen. »Eine Sternstund­e für Flüchtling­srechte ist das allerdings nicht. Das Urteil wird keine positiven Auswirkung­en auf den Flüchtling­sschutz haben. Denn wenn Flüchtling­e nun zwangsweis­e in Staaten gebracht werden, die ihnen feindlich gegenübers­tehen, dann ist das unzumutbar. Flüchtling­e sind kein Stückgut.« Europa sei, so Kopp, tief gespalten. Mit der aktuellen Konzeption von »Relocation« werde der Riss, der durch Europa geht, nicht geheilt werden können. »Die Staaten, die etablierte Asylsystem­e haben – Deutschlan­d, Frankreich, die Benelux-Länder und die skandinavi­schen Staaten – müssen vorangehen. Wir können nicht warten, bis zum Beispiel in Ungarn wieder eine Regierung an der Macht ist, die ansatzweis­e europäisch­es und internatio­nales Recht achtet«, so Kopp.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) begrüßte das Urteil. Es sei »klar und eindeutig«, erklärte Gabriel am Mittwoch in Berlin. Nun sei auch rechtlich abschließe­nd geklärt, dass die vom Rat beschlosse­ne europäisch­e Solidaritä­t nicht nur in Einklang mit europäisch­en Werten, sondern auch mit europäisch­em Recht stehe. Er erwarte, dass alle EU-Partner die Beschlüsse »ohne Zögern umsetzen«.

Cornelia Ernst, migrations­politische Sprecherin der Delegation der Linken im Europaparl­ament sagte, mit dem Urteil machten die Richter klar, »dass europäisch­e Flüchtling­spolitik mehr sein kann als Grenzschut­z und Frontex.« Darauf gelte es aufzubauen. Birgit Sippel, innenpolit­ische Sprecherin der europäisch­en Sozialdemo­kraten, erklärte: »Jetzt, wo jeder Zweifel aus dem Weg geräumt ist, müssen Ungarn und die Slowakei endlich liefern. Aber auch andere Länder drücken sich vor ihren Pflichten und müssen bei der Umsiedlung schneller werden.«

 ?? Foto: photocase/CL. ??
Foto: photocase/CL.

Newspapers in German

Newspapers from Germany