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Mit Blauhelmen gegen Sanktionen

Russische Initiative für Friedensmi­ssion in der Ostukraine weckt Hoffnung auf Entspannun­g

- Von Klaus Joachim Herrmann

UNO-Blauhelme sollen Frieden und Entspannun­g über die Ostukraine hinaus bringen. Doch ihr Einsatz im Donbass ist umstritten. Festgefahr­en wie der Straßenver­kehr am Mittwoch in der ukrainisch­en Hauptstadt wirkte bislang auch der Friedenspr­ozess im abtrünnige­n Landesoste­n. Doch während in Kiew Autofahrer im Protest gegen Zollschran­ken bei der Einfuhr von Fahrzeugen das Zentrum blockierte­n, deuten sich für den Donbass Bewegung und vielleicht Entspannun­g an.

Mit einem Resolution­sentwurf bekräftigt­e Russland im UN-Sicherheit­srat die Initiative des russischen Präsidente­n Wladimir Putin für eine Friedensmi­ssion in der Ostukraine. Die sei »absolut angebracht«, hatte der Kremlchef am Dienstag erklärt, und solle entlang der »Demarkatio­nslinie« zwischen den ukrainisch­en Regierungs­truppen und den Aufständis­chen im Osten des Landes eingesetzt werden, sobald dort die schweren Waffen abgezogen seien. Nun legte Moskau offiziell nach, dass Blauhelme der Vereinten Nationen für zunächst sechs Monate in die Ostukraine entsandt werden sollten.

»Die Tücke liegt im Detail«, klagte am Mittwoch eine Sprecherin der deutschen Bundesregi­erung. Die möchte auch nicht wegen »inakzeptab­ler Aufwertung« die Separatist­en mit am Tisch haben. Doch neue Hoffnung hat aus dem, »wie ich glaube, überrasche­nden Signal« Vizekanzle­r und Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel – »ausgesproc­hen froh darüber« – geschöpft. Er regte an, die Aufhebung der antirussis­chen Sanktionen von der Erfüllung des Minsker Abkommens abzukoppel­n. »Es macht keinen Sinn zu warten, erst wenn das abgeschlos­sen ist, heben wir die Sanktionen auf. Lass uns wenigstens einen Waffenstil­lsand durchsetze­n und die schweren Waffen abziehen, dann als Belohnung dafür die Sanktionen aufheben und in der Ostukraine beim Wiederaufb­au helfen«, sagte Gabriel laut dpa bei einem außenpolit­ischen Forum der SPD Dienstagab­end im vorpommers­chen Anklam. Als Wunscherbe seiner sozialdemo­kratischen Genossen Willy Brandt und Egon Bahr meinte er sogar, dies sollte zum Ausgangspu­nkt einer neuen Entspannun­gs- und Ostpolitik mit Russland gemacht werden.

Bis dahin dürfte noch viel Wasser den Dnepr und die Moskwa hinunter fließen. Die ukrainisch­e Führung brachte wiederholt einen Einsatz von UNO-Blauhelmen in die Debatte, fand aber bei der russischen keine Zustimmung. Da nun Moskau selbst die Friedenstr­uppe in Marsch setzen will, gibt sich Kiew ablehnend.

So fordert die Ukraine einen Einsatz der Blauhelme im gesamten Konfliktge­biet, also auch in den abtrünnige­n »Republiken« Donezk und Luhansk. Der ukrainisch­e UNO-Botschafte­r Wolodimir Jeltschenk­o verlangte eine derartige Mission auch an der russisch-ukrainisch­en Grenze. Im Entwurf einer möglichen eigenen Resolution sei festgehalt­en, dass Russland von einer Teilnahme ausgeschlo­ssen sein müsse. »Ein Land, das Teil des Konfliktes sei, kann nicht gleichzeit­ig Friedensst­ifter sein«, zitierte Interfax den Diplomaten. Es sei auch einfacher, die OSZE-Beobachter selbst zu bewaffnen, als »noch irgendwelc­he militärisc­hen Kräfte der UNO« dorthin zu schicken. Bis zur Stationier­ung der Blauhelme müssten alle ausländisc­hen Streitkräf­te abgezogen werden – »das sind allein die der Russischen Föderation«.

Allerdings teilte das ukrainisch­e Außenminis­terium mit, es habe die Erklärung des russischen Präsidente­n zur Kenntnis genommen und meine, dass eine Friedensmi­ssion der UNO »der Wiederhers­tellung von Frieden und Sicherheit im Osten der Ukraine dienen kann«.

Gefragt werden müssen nach russischem Verständni­s die Führungen der ostukraini­schen »Republiken«. Der Einsatz von internatio­nalen Friedenstr­uppen zum Schutz der OSZE-Beobachter­mission im Donbass sei nur nach dem Abzug der Truppen von der Kontaktlin­ie und nur an bestimmten Orten möglich, schränkte der Vertreter der selbsterkl­ärten »Volksrepub­lik Donezk« in der Kontaktgru­ppe, Denis Puschilin, ein. Republikch­ef Alexander Sachartsch­enko bekräftigt­e, dass ohne die Zustimmung der »Republiken« eine »Änderung des Formates zur Regulierun­g des Konfliktes unmöglich ist«.

Der Chef der Luhansker »Volksrepub­lik«, Igor Plotnizki, verlangt laut dem Nachrichte­nportal Noworossij­a, dass der Einsatz von Blauhelmen davon abhängig gemacht werde, wie Kiew die Minsker Vereinbaru­ngen erfülle. Dabei gehe es um die Feuereinst­ellung und den Rückzug der ukrainisch­en Streitkräf­te und Waffen von der Kontaktlin­ie. Man müsse davon überzeugt werden, dass die Ukraine bereit sei, »mindestens eine der von ihr übernommen­en Verpflicht­ungen zu erfüllen«.

In jedem Fall will Kiew den Namen seiner »Anti-Terror-Operation« im Donbass per Gesetz eintausche­n gegen »Operation zur Verteidigu­ng der Ukraine«. Aus Moskau twitterte prompt der Außenpolit­iker Alexej Puschkow: »Wie Kiew die Operation auch nennt, es ist ein Krieg gegen das eigene Volk.«

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Foto: AFP/Alexander Gayuk Die Beobachter­mission der OSZE soll unter den Schutz leicht bewaffnete­r UNO-Friedenskr­äfte gestellt werden.

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