UN-Ermittler beschuldigen Syrien
Damaskus angeblich für Gasangriff verantwortlich
Genf. Erstmals haben UN-Ermittler die syrische Regierung für den Giftgasangriff in Chan Scheichun im April verantwortlich gemacht. Die syrischen Streitkräfte hätten bei ihren Luftangriffen auf die Ortschaft am 4. April das Giftgas Sarin eingesetzt und mehr als 80 Menschen getötet, hieß es in einem am Mittwoch in Genf veröffentlichten Bericht.
Die UN-Untersuchungskommission zur Lage der Menschenrechte in Syrien war selbst nicht im Lande. Fotos von Bombensplittern, Satellitenaufnahmen und Berichte von Augenzeugen ließen auf die Verantwortung der Regierung von Präsident Baschar alAssad schließen, hieß es in dem Bericht. Die Zeugen seien allerdings ausschließlich in der Türkei vernommen worden.
Fotos von dem Luftangriff auf Chan Scheichun zeigten Überreste einer chemischen Bombe, wie sie aus der Sowjetunion bekannt sei, erklärte die Kommission weiter. Der Sprengsatz wurde nach Angaben der UN-Ermittler von einem Kampfflugzeug des Typs Su22 abgeworfen, das von der syrischen Luftwaffe eingesetzt wird.
Die UN-Beauftragten behaupteten weiter, sie hätten Hinweise auf mindestens 23 weitere Chemiewaffenangriffe in Syrien seit März 2013. In mindestens drei Fällen hätten Regierungstruppen giftiges Chlorgas eingesetzt. Dies gelte für Angriffe auf von Rebellen kontrollierte Gebiete in Idlib, Hama und Ost-Ghuta.
Westliche Regierungen hatten bereits in den Wochen nach dem Giftgasangriff von Chan Scheichun die syrische Regierung verantwortlich gemacht. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen bestätigte den Einsatz von Giftgas Ende Juni, nannte aber keinen Urheber.
Die syrische Regierung hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Syriens Präsident Baschar al-Assad sagte gegenüber AFP, der Angriff in Chan Scheichun sei zu »hundert Prozent konstruiert« worden. Seine Regierung verfüge seit einem Abkommen von 2013 nicht mehr über Chemiewaffen.
Die Kommission wies Angaben Syriens und der verbündeten Regierung in Russland zurück, das Giftgas sei beim Angriff auf ein Waffenlager der syrischen Opposition ausgetreten. Dafür gebe es keinen Beleg, hieß es in dem Bericht.
Die USA nahmen den Vorfall zum Anlass, den syrischen Luftwaffenstützpunkt Al-Schairat mit Marschflugkörpern zu beschießen, von dem der Angriff angeblich ausgegangen sei.