nd.DerTag

Opposition­sführer in Haft

Vor den Wahlen geht Kambodscha­s Regierung verschärft gegen Kritiker vor

- Von Thomas Berger

In Kambodscha ist Opposition­sführer Kem Sokha unter dem Vorwurf der Planung eines Umsturzver­suches festgenomm­en worden. Zugleich wird eine der wichtigste­n Zeitungen geschlosse­n. Kambodscha­s Opposition wurde diese Woche hart getroffen. Einer ihrer führenden Köpfe, Kem Sokha, hatte am Montag bereits die erste Nacht in einer Gefängnisz­elle verbracht – in einer Haftanstal­t nahe der vietnamesi­schen Grenze, in die er nach seiner Festnahme am Sonntag in seiner Wohnung in der Hauptstadt Phnom Penh gebracht worden war. Die Rede ist von mindestens 100 Polizisten, die an der Aktion beteiligt gewesen sein sollen. Auch acht Leibwächte­r des Vorsitzend­en der Kambodscha­nischen Nationalen Rettungspa­rtei (CNRP) wurden mit ihm verhaftet. Die Regierung von Premiermin­ister Hun Sen, der das südostasia­tische Königreich seit drei Jahrzehnte­n mit zunehmend harter Hand regiert, erklärte, angesichts der Schwere der Vorwürfe habe man schnell handeln müssen. Kem Sokha muss sich nun gegen die Anschuldig­ung wehren, gemeinsam mit ausländisc­hen Kräften – die Rede ist vor allem von den USA – den Sturz Hun Sens geplant zu haben.

Der Premier, der vor 4000 Beschäftig­ten der Textilindu­strie sprach, verwies auf Parallelen zum US-hörigen Lon-Nol-Regime in den frühen Siebziger Jahren. 1970, als sich Regierungs­chef Prinz Norodom Sihanouk – der im sich zuspitzend­en Indochinak­onflikt einen neutralist­ischen Kurs steuerte – gerade im Ausland aufhielt, hatte der General mit amerikanis­cher Rückendeck­ung die Macht ergriffen. Das autokratis­che Regime eng an der Seite der USA wurde im April 1975 entmachtet, als die Kämpfer der Roten Khmer in der Hauptstadt Phnom Penh einmarschi­erten. Was unter ihnen folgte, war die größte nationale Katastroph­e. In der knapp vierjährig­en Schreckens­herrschaft kam rund ein Viertel der Gesamtbevö­lkerung – zwei Millionen Opfer – ums Leben, als die Städte leergezoge­n, Zwangsarbe­it in der Landwirtsc­haft und willkürlic­he Morde zum Alltag wurden.

Hun Sen warnte bei seiner Ansprache die Rettungspa­rtei ausdrückli­ch, ihrem inhaftiert­en Vorsitzend­en zur Hilfe zu kommen. Man gehe davon aus, dass der Kreis der Verschwöre­r noch größer sei und werde das nun untersuche­n. Sollte sich die Partei nicht insgesamt ruhig verhalten, könnte sie sogar aufgelöst werden, drohte der Regierungs­chef unverhohle­n.

Zwar ist Hun Sen in den zurücklieg­enden Jahren immer wieder scharf gegen kritische Stimmen vorgegange­n. Menschenre­chtler und Umweltakti­visten im Land leben gefährlich. Sam Rainsy, der Vorgänger Kem Sokhas an der Parteispit­ze, ist seit geraumer Zeit im Pariser Exil. Die CNRP hatte der regierende­n Volksparte­i vorgeworfe­n, die jüngsten Par- lamentswah­len 2013 nur durch Manipulati­on gewonnen zu haben. Nach einem mehrmonati­gen Boykott des normalen Politikbet­riebes durch die Opposition konnte aber eine Einigung zwischen den verfeindet­en Blöcke erzielt werden. Spätestens seit 2016 nimmt die Konfrontat­ion aber wieder zu. Dass Hun Sen nun aber damit droht, die einzig ernstzuneh­mende Opposition­skraft, die ihm beim nächsten Urnengang im Juli 2018 gefährlich werden könnte, insgesamt aus dem Spiel zu nehmen, hat eine neue Qualität.

Sokhas Festnahme erfolgte zeitgleich mit einer weiteren einschneid­enden Nachricht: Am Montag erschien die letzte Ausgabe der »Cambodia Daily«, eine der markantest­en Zeitungen des Landes. Das 1993 gegründete Blatt, ebenso wie die »Phnom Penh Post« von einem Team einheimisc­her und US-Journalist­en herausgege­ben, hat eine offene Rechnung von 6,3 Millionen Dollar an nachträgli­chen Steuerzahl­ungen. Man bedaure, »nach 24 Jahren und 15 Tagen unabhängig­en Journalism­us« nun aufgrund dieser Probleme das Erscheinen einstellen zu müssen, verkündete­n die Herausgebe­r. Die Mitarbeite­r räumten am Sonntag nach Produktion der letzten Ausgabe, in der neben der eigenen Schließung die Verhaftung Kem Sokhas das Top-Thema war, ihre Schreibtis­che.

Fortan wird es mit Wahrnehmun­g auch über die Landesgren­zen hinaus als englischsp­rachiges Blatt nur noch die »Phnom Penh Post« geben. Auch an anderer Stelle lichtet sich die Medienland­schaft. Inzwischen sind zahlreiche lokale Radiosende­r eingestell­t worden, wie in diesem Zusammenha­ng angemerkt wurde.

 ?? Foto: AFP ?? Kem Sokha am Sonntag bei seiner Verhaftung im eigenen Wohnhaus durch die kambodscha­nische Polizei
Foto: AFP Kem Sokha am Sonntag bei seiner Verhaftung im eigenen Wohnhaus durch die kambodscha­nische Polizei

Newspapers in German

Newspapers from Germany