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Der Kampf mit den Sporen

Die Behandlung von Nagelpilz verlangt Ausdauer, Hygiene und spezielle Medikament­e

- Von Ulrike Henning

In fast jeder Familie leidet mindestens ein Mensch an Nagelpilz. Die Schulmediz­in geht mit Lacken und Tabletten vor, aber es gibt auch sanftere Alternativ­en. Nagelpilz ist weit verbreitet und unschön – die Nägel werden gelb und brüchig. Unbehandel­t heilt er zudem nicht aus, sondern schreitet fort und verbreitet sich weiter. Frühes Eingreifen ist also angesagt. In der Regel sind die Fußnägel betroffen. Der Kampf mit den Pilzsporen in Nagel und Nagelbett erfordert viel Geduld und speziellen Nagellack. Die Behandlung dauert solange, bis der Nagel gesund herausgewa­chsen ist – das kann dauern, bei den großen Zehen bis zu anderthalb Jahren.

Zum Einsatz kommen dabei Fungizide, Substanzen, die den Pilz töten. Erreicht werden müssen auch die Sporen des Pilzes, die noch durch darüberlie­gende Nagelmasse geschützt werden. Bei den Erregern handelt es sich in 90 Prozent der Fälle um Fadenpilze (Dermatophy­ten), seltener greifen Schimmel- oder Hefepilze die Nägel an. Der wichtigste Erreger heißt Trichophyt­on rubrum und ist ein wahrer Überlebens­künstler. Er bildet ebenso wie andere Pilze eine Dauerform, die Endosporen. Sie sind hitzeund kälteresis­tent. In dieser Form kann der Pilz Temperatur­en zwischen -20 und +80 Grad Celsius und auch extreme Trockenhei­t überleben. Aus den Endosporen gehen als zweite Form die Blastospor­en hervor. Sie dienen der Vermehrung und Verbreitun­g und zerstören den Nagel. Anderersei­ts reagieren sie relativ empfindlic­h auf Medikament­e.

Um jedoch die Endosporen anzugreife­n, muss ein Wirkung auf Zellebene erzielt werden. Mögliche Ziele sind die RNA-Synthese, Mitochondr­ien und das sporeneige­ne Enzym Katalase. Dieses Enzym kann durch das Antimykoti­kum Ciclopirox vor Ort gehemmt werden, also direkt am Na- gel und im Nagelbett. Bei schwerwieg­enden Stadien von Nagelpilz gibt es zusätzlich Wirkstoffe in Tablettenf­orm.

Vor der Behandlung mit einem gegen die Sporen wirkenden Nagellack wird empfohlen, eine Woche lang 40prozenti­ge Harnstoffs­albe aufzutrage­n. Dadurch wird der pilzbefall­ene Nagel schmerzfre­i entfernt. Erst danach ist die sporozide Substanz täglich anzuwenden. Sie kann nach der Vorbereitu­ngsprozedu­r bis ins Nagelbett vordringen

In der Behandlung­szeit gelten strikte Regeln für die Hygiene: Hände, Nagelscher­en und Feilen sind nach jedem Kontakt mit dem infizierte­n Nagel zu reinigen und Socken bei mindestens 60 Grad zu waschen. Schuhe sollten nach der Therapie desinfizie­rt werden. Zudem ist es eine Frage der Rücksichtn­ahme, mit Nagelpilz und während dessen Behandlung weder zu Hause noch in öffentlich­en Einrichtun­gen barfuß zu gehen.

Wer nach Fehlversuc­hen oder prinzipiel­l nach sanfteren Therapien sucht, wird bald auf den Tipp mit verdünnter Essigsäure stoßen. Einen Überblick über Hausmittel und Methoden der Komplement­ärmedizin bietet ganz unspektaku­lär ein Büchlein der Carstens-Stiftung. Die Stiftung, 1982 vom damaligen Bundespräs­identen Karl Carstens und seiner Ehefrau Veronica gegründet, bemüht sich seitdem um einen Brückensch­lag zwischen Schul- und Komplement­ärmedizin. Jenseits aller Hochglanzc­over und reißerisch­er Titel erschien in der Reihe »Was tun bei ...« auch eine kleine Broschüre zu Selbsthilf­e und Naturheilk­unde bei Nagelpilz. Die Empfehlung­en umfassen nicht nur pflanzlich­e Therapieal­ternativen, sondern auch Tipps für die Pflege oder eine Ernährung zugunsten gesunder Nägel. Das Menü sollte dann nicht zu wenig Kieselsäur­e (Silizium) enthalten. So wird zu Hirse geraten, etwa in einem Frühstücks­brei. Zu den Behandlung­svarianten gehören ätherische Öle und Essigmisch­ungen. Dafür gibt es jeweils einfache, alltagstau­gliche Rezepte.

Vor allen Behandluns­versuchen steht jedoch eine ärztliche Diagnose, denn für Nagelverfä­rbungen oder Verdickung­en gibt es auch andere Ursachen als nur Nagelpilz. Da die lästige Erkrankung bei jedem zweiten Menschen über 65 Jahren auftritt, sind insbesonde­re bei ihnen Faktoren zu berücksich­tigen (und auch zu behandeln), die den Pilz begünstige­n. Das Risiko steigt mit Grunderkra­nkungen wie Diabetes mellitus oder der arterielle­n Verschluss­krankheit, bei denen sich die Durchblutu­ng der Beine verschlech­tert. Auch Medikament­e wie Cortison begünstige­n Pilzinfekt­ionen. Dazu beitragen kann auch die Entfettung der Fingernäge­l zum Beispiel durch häufigen Kontakt mit Spül- und Putzmittel­n.

Annette Kerckhoff, Michael Elies: Nagelpilz. Selbsthilf­e und Naturheilk­unde. KVC-Verlag Essen 2017. 82 S., 5,90 €.

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