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Gutachten: Tegel muss schließen

Senat stellt Ergebnis von rechtliche­r Expertise vor, die Flughafenf­ans widerlegt

- Von Martin Kröger

Es ist die simple Vorstellun­g der Tegelnosta­lgiker: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Aber die rechtliche­n Hürden für einen Weiterbetr­ieb des Flughafens sind nahezu unüberwind­bar. Für Tegel-Verfechter wie den Berliner FDP-Spitzenkan­didaten zur Bundestags­wahl, Christoph Meyer, ist die Offenhaltu­ng Tegels quasi mit einem einfachen Federstric­h zu haben: per rechtliche­m Widerruf des Schließung­sbeschluss­es. So stellte es der selbst ernannte Tegel-Retter am Mittwoch bei einer Podiumsdeb­atte dar. Außerdem habe man keine Rechtsunsi­cherheit beim Doppelbetr­ieb der Flughäfen BER und Tegel.

Da kommt ein rechtliche­s Gutachten, das im Auftrag von Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) erstellt wurde, zu einem ganz anderen Ergebnis. Dass von dem renommiert­en Verwaltung­srechtler Reiner Geulen verfasste Gutachten besagt im Kern: »Hiernach ist ein Weiterbetr­ieb des Flughafens Tegels ausgeschlo­ssen.« Geulen stellte seine Untersuchu­ng am Mittwoch im Roten Rathaus bei einer Pressekonf­erenz vor. »Wir wollten uns mit der Fragestell­ung beschäftig­en, was wäre wenn«, erklärte Justizsena­tor Behrendt den Auftrag, den der Senat dem Rechtsanwa­lt erteilt hatte. Die Berliner sollten im Vorfeld des Volksentsc­heids am 24. September über eine Empfehlung an den Senat zu Tegel gut informiert sein, sagte Behrendt.

Herausgeko­mmen ist eine juristisch­e Expertise auf 33 Seiten, die sehr deutlich macht, warum ein Weiterbetr­ieb von Tegel zwar grundsätzl­ich möglich wäre, er aber nach menschlich­em Ermessen ausgeschlo­ssen werden kann. »Nach Maßstäben der praktische­n Vernunft ist es ausgeschlo­ssen«, betonte Geulen. Der Rechtsanwa­lt nannte gleich drei »K.-O.-Gründe«, die seine Einschätzu­ng untermauer­n sollen.

Der erste Punkt betrifft die Betriebsge­nehmigung des Flughafens Tegel. Rein rechtlich ist es nämlich so, dass der Flughafen qua Schließung­sbescheid aus dem Jahr 2004 bereits seit 13 Jahren geschlosse­n ist. Dass der Flughafen natürlich weiterbetr­ieben wird, ist nur möglich, weil die Bedingung für das Inkrafttre­ten des Beschlusse­s, nämlich die Inbetriebn­ahme des BER, noch nicht erfüllt ist. Um den Schließung­sbescheid Tegels zu widerrufen, bedarf es dem Rechtsanwa­lt zufolge eines sehr langen Ver-

Reiner Geulen, Fachanwalt für Verwaltung­srecht

fahrens. »Man braucht dafür mindestens fünf Jahre«, sagte Geulen. Schließlic­h müssten beispielsw­eise in diesem Fall die betroffene­n Anwohner komplett neu angehört werden, die sich ja alle auf den Planfestst­ellungsbes­chluss zur Schließung Tegels nach der Eröffnung des BER verlassen haben. An diesem Punkt würden auch die neu- en Lärmschutz­bedingunge­n zu einem alles entscheide­nden Problem werden.

Ein zweiter Faktor, der laut dem Rechtsanwa­lt für die Notwendigk­eit der Schließung spricht, ist der Aspekt der gemeinsame­n Landesplan­ung von Berlin und Brandenbur­g. Die entspreche­nden Landesplan­ungsgesetz­e sehen nur einen sogenannte­n Single-Airport vor. Einer Änderung dieser verfassung­srechtlich­en Vorgaben müsste nicht nur Brandenbur­g zustimmen, sondern auch dazu müsste eine neue Anhörung der Anrainer-Gemeinden des BER erfolgen.

Der dritte Punkt betrifft die Flugrouten. Die vor drei Jahren festgelegt­en Flugrouten für den BER lassen einen Parallelbe­trieb mit dem Flughafen Tegel nicht zu, weil sie »konfligier­en«.

Rechtsanwa­lt Geulens Fazit: »Der Volksentsc­heid ist eine Mogelpacku­ng.« Außerdem würden die Tegel-Fans mit »irreführen­den Unterstell­ungen« arbeiten. Das ganze sei eine »Phantomdis­kussion«, der Senat habe gar keine Möglichkei­t, Tegel offen zu halten.

»Nach Maßstäben der praktische­n Vernunft ist es ausgeschlo­ssen.«

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Foto: dpa/Jörg Carstensen Rein rechtlich gesehen gibt es für den Flughafen »Otto Lilienthal« in Tegel bereits seit 2004 einen Schließung­sbeschluss.

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