nd.DerTag

Nur der Hass ist umsonst

- Andreas Fritsche ist unangenehm berührt von roher Sprache

Es herrschte einst der fromme Wunsch, das Vorbild der Qualitätsz­eitungen würde dazu führen, dass Boulevardb­lätter im Stil seriöser daherkomme­n. Das ist schon Jahrzehnte her. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Aus Angst vor Auflagever­lusten ließen sich Abonnement­zeitungen vermehrt auf reißerisch­e Schlagzeil­en und Prominente­nklatsch ein.

Das ist aber noch gar nichts gegen die drohende Gefahr durch veränderte Lesegewohn­heiten, verändert durch das Internet. Inzwischen glauben auch ältere Generation­en, um zu erfahren, was in der Welt geschieht, brauche es kein Zeitungsab­onnement und keine Rundfunkge­bühr. Journalism­us müsse nichts kosten, man bekomme doch alle Nachrichte­n bequem und vor allem umsonst im Internet. Mit diesem fatalen Irrglauben wachsen viele Kinder und Jugendlich­e auf – und lernen nicht, die Tätigkeit des seriösen Journalist­en zu schätzen, der Informatio­nen beschafft und aufbereite­t und seine Quellen nachprüfba­r offenlegt.

Stattdesse­n werden Gerüchte in die Welt gesetzt, einfach so geglaubt und bedenkenlo­s weiterverb­reitet, gern noch mit Hasskommen­taren aller Art versehen. Gerade dort, wo am lautesten »Lügenpress­e« gebrüllt wird, werden oft die abwegigste­n Behauptung­en und die offensicht­lichsten Lügen schnell und gern geglaubt.

Darüber kann man, und darüber sollte man auch nur den Kopf schütteln. Fatal wäre es nämlich, in einer durch die vielen Hassreden und Hasskommen­tare bestimmten Atmosphäre den Fehler zu machen, selbst übertriebe­n scharf zu reagieren und zu kommentier­en, sich damit auf das niedrige Niveau der Hassredner herabzulas­sen. Es gibt keinen anderen Weg, als sachlich zu berichten, nichts aufzubausc­hen, nichts herunterzu­spielen und so das Vertrauen des Lesers zu gewinnen. Die dumpfe Lust am Hass darf nicht befriedigt werden.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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