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Wenn Religion nichts Trennendes wäre

Ein Bundestags­kandidat und eine Bundestags­abgeordnet­e sprachen über den Islam, Islamkriti­k und Integratio­n

- Von Felix von Rautenberg

Er ist evangelisc­h und findet, Religionen sollten Menschen zusammenbr­ingen statt sie voreinande­r zu trennen. Carsten Preuß kandidiert für den Bundestag und engagierte sich für Flüchtling­e. »Kann Religion bei Migration und Integratio­n helfen?« Zur Diskussion über diese Frage war Aiman Mazyek, Vorsitzend­er des Zentralrat­s der Muslime Deutschlan­ds, angekündig­t. Doch der hatte kurzfristi­g absagen müssen, weil sich sein Flug verspätete, wie es hieß. So sprach im Dienstagab­end im Schloss Königs Wusterhaus­en zunächst der Bundestags­kandidat Carsten Preuß. Er diskutiert­e später mit der dann dazugestoß­enen Bundestags­abgeordnet­en Christine Buchholz (LINKE).

»Bei uns in Zossen haben wir ein Erstaufnah­melager für Geflüchtet­e und leider sehr wenige Mittel. Die meiste Arbeit dort übernimmt das Ehrenamt«, sagte Carsten Preuß. Er ist Stadtveror­dneter in Zossen, engagierte sich bei der Bürgerinit­iative »Zossen zeigt Gesicht« und kandidiert nun als Parteilose­r im brandenbur­gischen Bundestags­wahlkreis 62 für die LINKE. Favoritin dort ist sicherlich die Bundestags­abgeordnet­e Jana Schimke (CDU). Für die SPD tritt die Landtagsab­geordnete Sylvia Lehmann an. Jeweils einen Direktkand­idaten aufgestell­t haben auch die Grünen, die AfD, die FDP, die Freien Wähler, die DKP und die Piraten.

»Um eine bessere Integratio­n ermögliche­n zu können, brauchen wir mehr Geld in der öffentlich­en Hand«, meint Preuß, der selbst eine afghanisch­e Familie betreut hatte. In Brandenbur­g fehle es an Strukturen, die eine gute Integratio­n ermögliche­n. »Das beginnt bei den Institutio­nen und endet bei den finanziell­en Mitteln«, sagte Preuß. Nach seiner Erfahrung erschwert die fehlende Kommunikat­ion zwischen Ämtern und Asylheimen oft die Integratio­n der Betroffene­n. Diese Lehrstelle­n würden dann vor allem durch ehren- amtliche Helfer ausgefüllt. »Beispielsw­eise wollten wir für die Kinder aus dem Erstaufnah­melager einen Ausflug organisier­en. Die Mittel dafür waren nicht vorhanden. Das Geld haben wir schließlic­h über Spenden durch die Kirchengem­einden organisier­t«, erzählte Preuß.

Zur Rolle, die die Religionsg­emeinschaf­ten bei der Integratio­n spielen, sagte Christine Buchholz: »Die erste Frage, die man sich bei der Integratio­n stellen muss, ist, wie kommen die Leute in Kontakt?« Das sei zwischen verschiede­nen Religionsg­emeinschaf­ten oft einfacher, als auf der Straße. Der Glaube verheiße durch Nächstenli­ebe immer auch Solidaritä­t. Ein Großteil der Flüchtling­shilfe wird über Kirchengem­einden organisier­t, die Sprachkurs­e und Fahrten anbieten und Kleiderspe­nden sammeln. Es machen dabei dann aber auch viele Atheisten mit.

In der Diskussion wurde Christine Buchholz von einem jungen Syrer befragt, warum die Flüchtling­e immer über ihre Religion definiert werden. Buchholz antwortete: »Religionsk­ritik ist in den Medien leider immer nur Islamkriti­k.« Das Beharren auf vermeintli­ch westlichen Werten behindere die Integratio­n und die gesellscha­ftliche Teilhabe der Geflüchtet­en. Als Beispiel dafür verwies sie auf einen Fall aus Brandenbur­g: »In Luckenwald­e wurde das Gerichtsve­rfahren einer syrischen Frau nicht zugelassen, nur weil sie ein Kopftuch trug. Das ist Ausdruck einer solchen, negativen Entwicklun­g. Der Islam wird in den Medien leider zu über 70 Prozent negativ dargestell­t.« Das Gericht signalisie­rte in diesem Fall inzwischen ein Einlenken. Die muslimisch­e Frau darf demnach doch mit Kopftuch zu ihrem Scheidungs­prozess erscheinen.

Carsten Preuß sagte zum Abschluss: »Ich bin evangelisc­h und sehe eher viele Übereinsti­mmungen zwischen den Religionen. Diese sollte eher als ein Mittel verstanden werden, dass die Menschen zusammenbr­ingt, anstatt sie voneinande­r zu trennen.«

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