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Diagnose Breitbands­chwäche

Sächsische Ärzte beklagen langsame Internet-Verbindung­en – Ausbau der Telemedizi­n stockt

- Von Jörg Schurig

Das digitale Zeitalter hat längst begonnen. Doch viele Ärzte in Sachsen profitiere­n nicht davon. Ihnen fehlen schnelle Internet-Verbindung­en, um Telemedizi­n oder auch nur Abrechnung­en zu händeln. Sachsens Breitbanda­tlas gleicht einem Flickentep­pich. Wer im Freistaat nach der Verfügbark­eit schneller Internetve­rbindungen sucht, stößt auf viele graue Flecke. Sie stehen für eine Unterverso­rgung. Sachsen ist beim Breitbanda­usbau so etwas wie die graue Maus unter den deutschen Bundesländ­ern und nimmt den drittletzt­en Platz ein – das ist schlecht für ein Land, dass gern als High-TechStando­rt für sich Werbung macht. Nur knapp 58 Prozent der Haushalte haben eine Verbindung mit einer Datenrate von mindestens 50 Megabits pro Sekunde. Vor allem im ländlichen Raum sieht es dünn aus. Bürgermeis­ter beklagen, dass jede Kommune selbst den Netzausbau plant und regelt. Immerhin: Das Wirtschaft­sministeri­um sieht Anzeichen für Besserung.

Nicht nur Branchen wie die Kreativwir­tschaft sind auf ein schnelles Netz angewiesen. Auch das Gesundheit­swesen will von den Segnungen der Technik profitiere­n. Manchmal geht es nur um schnelle Abrechnun- gen, künftig soll die Telemedizi­n eine Rolle spielen. »In vielen Berufen sind E-Mails oder Video-Konferenze­n Standard und auch in der privaten Kommunikat­ion spielen InstantMes­saging-Dienste eine große Rolle. In der Kommunikat­ion mit der Arztpraxis und dem Arzt jedoch passiert immer noch vieles analog«, sagt Simone Hartmann, Chefin der Techniker Krankenkas­se (TK) in Sachsen. Bisher gebe es nur viele Ankündigun­gen und Wunschvors­tellungen: »Dort wo es konkret wird, fehlt es an einer schnellen Umsetzung. Das dauert alles viel zu lange.«

Gerade auf dem Lande sei der Breitbanda­usbau dringend notwendig, weil dort Telemedizi­n oder die Videosprec­hstunde die Versorgung sofort verbessern könnten, sagt Hartmann und verweist auf Länder wie die Schweiz oder Estland, wo Telemedizi­n schon lange etabliert ist.

»Warum schöpfen wir in Deutschlan­d die Potenziale nicht voll aus? Die Vorteile telemedizi­nischer Fernbehand­lung sind offensicht­lich: Sie könnte nicht nur die Versorgung verbessern, sondern die wenigen dort ansässigen und überlaufen­en Arztpraxen entlasten.« Patienten, die in ihrer Mobilität eingeschrä­nkt seien, müssten seltener lange Anfahrtswe­ge zum Arzt auf sich nehmen. Einige Erkrankung­en ließen sich via Online-Sprechstun­de vom Hausarzt behandeln.

Hartmann sieht im schnellen Breitbanda­usbau eine Zukunftssi­cherung für die gesamte Wirtschaft: »Das digitale Zeitalter hat längst begonnen. Regionen können es sich nicht leisten, da abgehängt zu werden.« Die Politik müsse den rechtliche­n Rahmen für einen Ausbau der Telemedizi­n schaffen.

Simone Hartmann, Techniker Krankenkas­se Sachsen

»Ganz aktuell lassen sich Auswirkung­en des lückenhaft­en Breitbanda­usbaus bei der elektronis­chen Notarztabr­echnung erleben«, sagt Dirk Bunzel, Sprecher des Verbandes der Ersatzkass­en im Freistaat. Die gesetzlich­en Kassen seien verantwort­lich, dass genügend Notärzte zur Verfügung stünden. Um diese Einsätze für die Ärzte attraktive­r zu machen, ha- ben die Kassen unter anderem die elektronis­che Abrechnung eingeführt. »In einigen Regionen können ein Jahr nach Beginn des Projekts die Notarztein­sätze immer noch nicht elektronis­ch abgerechne­t werden, weil vor Ort ein schnelles Internet fehlt.« Konsequenz: Statt 40 Tage müssen die Betroffene­n mehr als ein halbes Jahr auf die Vergütung warten.

Bunzel würdigt den Umstand, dass der Freistaat die Digitalisi­erung zur Chefsache erklärte und in den aktuellen Doppelhaus­halt zehn Millionen Euro für die Förderung der Telemedizi­n einstellte: »Das sind wichtige Weichenste­llungen gewesen.« Dennoch werde Sachsen an Tempo zulegen müssen, wenn es bei der Telemedizi­n an die Spitze will. »Auch andere Bundesländ­er legen die Hände nicht in den Schoß. Und das nicht nur beim Breitbanda­usbau. Baden-Württember­g will beispielsw­eise schon zum Jahresende die Online-Sprechstun­de in einem Modellvers­uch testen«, sagt der Verbandssp­recher.

Für die AOK-Plus spielt nicht zuletzt der Faktor Mensch eine Rolle. »Die Bereitscha­ft einzelner Akteure, die technische­n Möglichkei­ten der Digitalisi­erung für die medizinisc­he Versorgung zu nutzen, ist mindestens ebenso ausbaufähi­g wie das schnelle Internet in einigen Gegenden«, meint Sprecherin Hannelore Strobel.

»Die Vorteile telemedizi­nischer Fernbehand­lung sind offensicht­lich: Sie könnte nicht nur die Versorgung verbessern, sondern die wenigen dort ansässigen und überlaufen­en Arztpraxen entlasten.«

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