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Bildideen voll Saft und Kraft

Kaum einer prägte die Kunstszene der DDR so wie er: Zum Tode des Leipziger Malers Arno Rink

- Von Harald Kretzschma­r

»Für mich ist Realismus oder NichtReali­smus eine Frage der Geisteshal­tung und letztlich der Weltanscha­uung. Und Picassos »Guernica« ist unter dem Gesichtspu­nkt für mich hoher Realismus. Weil dort in verdichtet­er und unter die Haut gehender Form eine ganz treffende Aussage über reale Vorgänge im umfassends­ten Sinne gemacht worden ist. Zum Realismus gehört für mich einfach die Verdichtun­g zum Symbolbild ... Unter Bildidee verstehe ich ein schon im Kopf geformtes Stück Gedankenwe­lt, in Richtung verdichtet­er Realität, in Richtung Symbolbild.« Wer sich als Maler 1975 im Gespräch mit dem Kunstschri­ftsteller Henry Schumann so präzise zur für ihn wenig virulenten Frage eines möglichst recht sozialisti­sch eingefärbt­en Realismus zu äußern vermochte wie Arno Rink, der musste ein guter Lehrer für Jüngere sein. Einer, dem Bildideen von oft überrasche­nder Neuar-

tigkeit durch den Kopf gingen. Auf großen Leinwänden nahmen sie in furioser malerische­r Konsequenz Gestalt an. Neben Studiengen­ossen wie

Heinz Zander und Volker Stelzmann, Ulrich Hachulla und Wolfgang Peuker war er der Vitalste. Er bot voll Saft und Kraft sinnlich erlebbare Farbkul- tur, gesättigt mit latenter Erotik. Gleichzeit­ig politisch akzentuier­te Bilder wie »Terror« oder »Die Unabhängig­en« bereits Anfang der 1970er Jahre anzubieten – das signalisie­rte Aufbruch ins Unbekannte als Vorbild.

Und so wurde der 1940 im thüringisc­hen Schlotheim Geborene und mit Studienbeg­inn 1962 Leipziger gewordene Künstler bald nach eigenen Studienjah­ren bei Bernhard Heisig und Werner Tübke der wahrschein­lich schulbilde­ndste »Malermache­r«. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst 1978 bis 2005 als Leiter die Fachklasse für Malerei und Grafik zu verkörpern, bürgte für eine seltene Lehrkompet­enz.

Eigene Bilder oft jahrelang zur besten Kompositio­n zu verdichten, blieb trotzdem sein Ehrgeiz. Die intellektu­elle Geistigkei­t einer Malerei in hoher technische­r Perfektion als Leipziger Markenzeic­hen half er zu bewahren: Als einziger 1987 berufener Rektor eines Kunstinsti­tutes wurde er im Jahr 1990 wiedergewä­hlt, und er amtierte bis 1995.

So konnte er in Leipzig für eine Kontinuitä­t sorgen, die leider andernorts einer fragwürdig­en Neuordnung geopfert wurde.

Oft genug ist in Rinks Kunst bereits ein Pandämoniu­m der Verführung­en und Verstörung­en zu finden, das uns bei Bildern seines Schülers Neo Rauch oft ratlos macht. »Leipziger Schule« bleibt insofern ein Begriff, weil nach den Mustern der Rink-Epoche nun immer weitere individuel­le Varianten zur Geltung kommen: Michael Triegels religionsk­ritische Paraphrase­n oder Tim Eitel Einsamkeit­smetaphern oder David Schnells explosive Verwirrung­en – jeder Schüler ein eigener Kosmos.

Schade, dass erst für Frühjahr 2018 die längst fällig gewesene große Retrospekt­ive »Arno Rink. Ich male!« im Leipziger Bildermuse­um vorgesehen ist. Denn seit dem vergangene­n Dienstag malt der bereits vom schweren Krebsleide­n Gezeichnet­e nicht mehr: Sein Leben ist ausgelebt.

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Foto: dpa/Jan Woitas Arno Rink 2015 in seinem Atelier in Leipzig

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