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Der Krieg mit den Drogen

Im Kino: »Barry Seal – Only In America« von Doug Liman

- Von Tobias Riegel

In kürzlich offengeleg­ten Akten konnte man einen Einblick in die Abhängigke­iten der US-Filmindust­rie vom Gutdünken des Pentagon und der CIA erhaschen. Ein für die Kommunikat­ion zwischen US-Armee und Hollywood zuständige­r Offizier wird dort mit den Worten zitiert: »Es besteht keine Notwendigk­eit, dass wir die Öffentlich­keit an den Iran-ContraSkan­dal erinnern.« Und weil das Pentagon das so sah und seine für einen Kriegsfilm essenziell­e Unterstütz­ung versagte, konnte die geplante Produktion »Countermea­sures« nicht realisiert werden. Die Zeiten haben sich scheinbar geändert: Mit »Barry Seal« gibt es jetzt nicht nur irgendeine­n engagierte­n, aber in der Masse untergehen­den Low-Budget-Streifen zu Iran-Contra, sondern einen überlebens­großen, superschne­llen und ziemlich unterhalts­amen HollywoodB­lockbuster mit Tom Cruise in der Hauptrolle und riesigem Werbe-Etat im Gepäck. Die einen werden sagen: »Endlich!« Die anderen werden Ablenkung und Weißwaschu­ng wittern. Beide Seiten haben Recht.

Während des allgemein bekannten Teils des Iran-Contra-Skandals wurden Ende der 80er Jahre US-Waffen geheim an den offiziell verfeindet­en Iran verkauft, um mit dem Erlös die anti-sozialisti­schen Söldner in Nicaragua (»Contras«) zu bezahlen. Deren Unterstütz­ung hatte der US-Kongress eigentlich verboten, darum »mussten« von den antikommun­istischen Paranoiker­n um Präsident Ronald Reagan und seinen Vize George Bush alternativ­e und klandestin­e Geldquelle­n aufgetan werden. Das Iran-Geschäft reichte nicht aus. Und so gelangt man zum noch skandalöse­ren, wegen eines weitgehend­en (bis heute wirkenden) Medienboyk­otts jedoch viel unbekannte­ren Teil der Episode: zum tonnen- und milliarden­schweren Kokainschm­uggel in die USA – unter der Schirmherr­schaft der CIA.

Für den Drogenschm­uggel aus dem lateinamer­ikanischen Dschungel, für halsbreche­rische Landeanflü­ge auf zu kurze Buckelpist­en oder für stets riskante Verhandlun­gen mit sadistisch­en Drogenbaro­nen und rechtsextr­emen »Widerstand­skämpfern« braucht man keine Paragrafen­reiter, sondern todesverac­htende KamikazePi­loten und abgekochte Abenteurer. So einen fand die CIA Ende der 70er Jahre im hochbegabt­en Piloten Barry Seal (Tom Cruise). Zunächst wurde Seal vom Geheimdien­st engagiert, um kommunisti­sche Dschungel-Basen in Lateinamer­ika zu fotografie­ren. Ir-

Pentagon-Mitarbeite­r

gendwann begann Seal jedoch, auf dem Rückweg Kokain für das spätere Medellin-Kartell um Pablo Escobar zu schmuggeln. Er wurde erwischt, landete im Knast – und war fortan erpressbar von jenen namenlosen USAgenten, die ihn vor einem Martyrium im kolumbiani­schen Gefängnis bewahrt hatten. Seal schmuggelt­e ab diesem Moment im CIA-Auftrag: Waffen nach Nicaragua, Kokain in die USA. Und das massenhaft. Um die Heuchelei perfekt zu machen, eskalierte Ronald Reagan gleichzeit­ig offiziell den bizarren und nur angebliche­n »Krieg gegen die Drogen« – während »sein« Kokain die »Crack-Welle« in den US-Innenstädt­en forcierte.

Der launige, rasante und zum verrückten Aufstieg eines Antihelden montierte Film erinnert in Stil und Aufbau (und auch in seiner formalen Makellosig­keit) an Martin Scorseses »The Wolf Of Wall Street« und ist Tom Cruise wie auf den Leib geschnitte­n. Und das, obwohl der mit dem echten Barry Seal optisch wenig gemein hat: Seal war übergewich­tig und wurde etwa von Pablo Escobar nur »El Gordo« (»Der Dicke«) genannt.

Doug Liman hat »Barry Seal« als pausenlose Hochgeschw­indigkeits­Farce inszeniert. Dieses Tempo bündelt sich mit den grotesk-realen Vorgängen und dem ausnahmslo­s schillernd­en und zwielichti­gen Personal aus CIA-Verbrecher­n, lustlosen Söldnern, gewieften Drogenlord­s und genussücht­igen Glücksritt­ern zu einer rauschhaft­en, aber höchst oberflächl­ichen Tour de Force. Diese Oberflächl­ichkeit bezieht sich auf die Charaktere (selbst der omnipräsen­te Seal bleibt ein Halodri-Abenteurer-Abziehbild), aber auch auf die Politik.

Insofern ist zwar zu begrüßen, dass das Thema endlich auf der großen Leinwand stattfinde­t und viele Menschen wohl erstmals darauf hinweist – und dabei auch noch Spaß macht. Wen die poppige Oberflächl­ichkeit jedoch unbefriedi­gt zurückläss­t, der sollte sich »Kill The Messenger« von 2014 zum infamen Medienboyk­ott des Themas ansehen oder (für den größeren Zusammenha­ng) Alfred McCoys »Die CIA und das Heroin« lesen.

»Es besteht keine Notwendigk­eit, dass wir die Öffentlich­keit an den Iran-ContraSkan­dal erinnern.«

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Foto: Universal Tom Cruise als Barry Seal

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