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Katalonien­s Regierung macht ernst

Unabhängig­keitsgeset­z wird verabschie­det – gegen alle Widerständ­e in Region und Zentralsta­at

- Von Martin Ling

Katalonien­s Unabhängig­keitsstreb­en tritt in die heiße Phase: Vor dem Feiertag am 11. September wurde das Gesetz verabschie­det, das den Weg für das Plebiszit am 1. Oktober ebnet. Das Referendum­sgesetz, das am Mittwochab­end im katalanisc­hen Parlament auf den Weg gebracht wurde, nahm 2012 seinen Ausgang. Im März jenes Jahres gründete sich die zivilgesel­lschaftlic­he Unabhängig­keitsbeweg­ung Katalanisc­he Nationalve­rsammlung (ANC). Die ANC war es, die am 11. September 2012 eine der machtvolls­ten Demonstrat­ionen in der katalanisc­hen Geschichte organisier­te: Über 1,5 Millionen Menschen forderten in Barcelona die Unabhängig­keit Katalonien­s. Das Motto: Für »Katalonien, ein neuer Staat in Europa«.

Seit 1886 wird mit Ausnahme der Franco-Diktatur von 1939 bis 1975 und den ersten fünf Jahren danach jeweils am 11. September jenes Tages im Jahr 1714 gedacht, als Barcelona vor den Truppen des Bourbonenk­önigs Philipp V. kapitulier­te und anschließe­nd seine Selbstverw­altung verlor.

Der 11. September 2017 wird aus Sicht der Unabhängig­keitsbefür­worter der letzte sein, der noch unter spanischer Herrschaft begangen werden muss. Sie sind fest davon überzeugt, dass das für den 1. Oktober angesetzte Plebiszit stattfinde­n und das nach einem Sieg für das »Ja« zur Unabhängig­keit die von Premier Carles Puigdemont geführte Regierung des Bündnisses Junts pel Sí (»Gemeinsam für das Ja«) wie versproche­n binnen 48 Stunden die Unabhängig­keit ausrufen wird.

Die Abgeordnet­en der separatist­ischen Parteien der Regionalre­gierung verabschie­deten am späten Mittwochab­end in Barcelona trotz heftiger Proteste der katalanisc­hen Opposition und der Zentralreg­ierung in Madrid das sogenannte Referendum­sgesetz. Dieses Gesetz – die rechtliche Grundlage für die Abstimmung – wurde mit 72 Ja-Stimmen von Junts pel Sí und der linksradik­alen CUP bei elf Enthaltung­en angenommen. Es gab keine Gegenstimm­e, weil die Abgeordnet­en der meisten Opposition­sparteien – die Konservati­ven, die Sozialiste­n und die Liberalen – die Abstimmung boykottier­ten und vor dem Votum den Saal verließen. Nach dem Abstimmung­ssieg standen die separatist­ischen Abgeordnet­en, die in Barcelona über eine Mehrheit der Sitze verfügen, alle auf und sangen die katalanisc­he Nationalhy­mne.

Nachdem »La Diada« in den vergangene­n Jahren häufig dezentral begangen wurde, 2013 beispielsw­eise mit einer Menschenke­tte quer durch Katalonien, gibt es 2017 wieder eine zentrale Demonstrat­ion in Barcelona. Der Zuspruch wird einiges darüber aussagen, wie der kompromiss­lose Kurs der Regierung Puigdemont bei denjenigen ankommt, die nicht zum harten Kern der Separatist­en gehören, aber das Recht zu entscheide­n hoch halten.

Spaniens Regierung unter Premier Mariano Rajoy will weiter das Referendum mit allen Mitteln verhindern. Welche das jenseits der juristisch­en sein werden, bleibt offen.

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