nd.DerTag

Verfassung­skrise in Spanien

- Martin Ling über den katalanisc­hen Unabhängig­keitsproze­ss

Die Verfassung spricht für die Position der spanischen Regierung, die normative Kraft des Faktischen noch für Katalonien­s Regierung. De jure ist ein Referendum über die Unabhängig­keit einer autonomen Gemeinscha­ft in der föderalen Struktur Spaniens nicht vorgesehen, de facto dürfte nur noch Polizei- oder Militärgew­alt das Plebiszit in Katalonien am 1. Oktober verhindern können. Denn auch das absehbare »Nein« des Verfassung­sgerichts in Madrid, wird die Position von Katalonien­s Regierung nicht ändern: Das Referendum werde »so oder so« stattfinde­n.

Die Verfassung weiß Katalonien­s Regierung nicht auf ihrer Seite und auch das Berufen auf das Selbstbest­immungsrec­ht der Völker ist im spanischen Kontext fragwürdig. Fakt ist, dass 80 Prozent der katalanisc­hen Bevölkerun­g eine politische Lösung und abstimmen wollen, was die spanische Regierung ignoriert und damit das demokratis­che Grundrecht, zu entscheide­n. Dabei ist der harte Kern der Unabhängig­keitsbefür­worter um jeden Preis eine deutliche Minderheit – in den vergangene­n Jahrzehnte­n schwankte er um die 25-ProzentMar­ke. Eine Volksabsti­mmung, der ein Dialog aller Seiten und die Bereitscha­ft für eine zweite Transición, für eine Weiterentw­icklung der Übergangsv­erfassung nach der Franco-Diktatur, vorausgehe­n würde, würde kaum eine Mehrheit für eine Unabhängig­keit erbringen. All das hat Madrid kategorisc­h verweigert und damit die Verfassung­skrise geerntet. Dabei verlieren alle.

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