Eingemauert in Ramstein
Früher war man skeptisch gegenüber der Friedensbewegung. Kippt die Stimmung in der Bevölkerung?
Seit die US-Streitkräfte sich in der Air-Base Ramstein einigeln, wendet sich die Stimmung in der Bevölkerung gegen sie. Die Friedensbewegung hofft auf neue Unterstützer. Als die Amerikaner in Vietnam kämpften, ließen die Soldaten hinter der Mauer der Air-Base Ramstein sich die Haare lang wachsen. Sie kifften und träumten gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung vom Frieden.
Heute nicht mehr. Aktivisten aus der Region um Kaiserslautern, die seit Montag fünf Kilometer von der AirBase entfernt wie jedes Jahr ein Protestcamp errichtet haben, berichten vom »Insourcing«. Die Soldaten und ihre Familien schotten sich ab. »Das Armeefußvolk darf nicht einmal mehr die Familie mitbringen,« sagt Fee Strieffler, die zusammen mit ihrem Ehemann Wolfgang Jung seit Jahren das Infoblatt »Luftpost – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein« herausgibt. Speziell seit 9/11, den Anschlägen auf die Zwillingstürme in New York gebe es eine Tendenz, sich in der Kaserne einzuigeln. Insgesamt umfasst die Kaiserslautern Military Community (KMC) über 50 000 USBürger. In ihr herrsche ein fast hysterisches Misstrauen gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Man fürchte sogar, dass den Militärangehörigen durch belanglose Gespräche Dienstgeheimnisse entlockt werden könnten, so Strieffler. »Es ist nicht er- wünscht, dass Freundschaften geschlossen werden.« Deshalb würden immer mehr Wohnhäuser und Einkaufsmalls direkt auf dem Militärgelände angesiedelt. Kaum ein Militärangehöriger tritt noch vor die Tore der Kaserne.
Es liegt auch daran, dass wirklich niemand weiß, was hinter den Mauern der Kaserne geschieht. Nicht einmal der NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages konnte restlos aufklären, wie genau Ramstein in den Drohnenkrieg der USStreitkräfte verwickelt ist.
Die Stimmung in der Bevölkerung scheint zu kippen. Gesten der Solidarisierung mit der Friedensbewegung hätten zugenommen, berichten Campbewohner. Zwar seien viele Menschen rund um Kaiserslautern noch schwer für eine Friedensdemo zu mobilisieren – das Argument »Wir leben doch alle vom Ami« stecke noch in vielen Köpfen. Doch ein Bauer habe seine von hohen Maisfeldern und Wäldern eingerahmte Wiese kostenlos als Campgelände bereitgestellt. Ein Bäcker spendete Brötchen. Ein Spediteur aus der Umgebung bot ungefragt logistische Hilfe an. Auch funktioniere die Kooperation mit Behörden inzwischen ausgezeichnet. Als die Hamburgerin Gunda Weidmüller vor einigen Tagen mit anderen Campbewohnern in der Dämmerung mit Lichtern zur Air Base zog, spreizten Passanten am Wegrand ihre Finger – das Victory-Zeichen. »Es gab nur ganz wenige Stinkefinger«. In den Jahren zuvor sei das noch anders gewesen, sagt Weidmüller. Auch hatte eine Friedensausstellung im benachbarten Kottweiler-Schwanden viele Jugendliche ins Camp gelockt.
Dort wartet Hans Sander – das Gedächtnis der regionalen Friedensbewegung. Er war selbst als junger Mann zur Friedensbewegung gestoßen. Das ist allerdings ein paar Jahre her. Sander hatte selbst in den 1970er Jahren bei der US Army gejobbt. Er erlebte den Zustand der Truppe in der Endphase des Vietnamkriegs hautnah: »Wehrpflichtige und kriegsmüde Soldaten ließen sich aus Protest die Haare über die Ohren wachsen, kifften und begehrten mit aufmüpfigen Sprüchen gegen die Army auf«, so Sander. Doch nach Kriegsende wandelte sich die US-Armee zu einem Berufsheer. Nationa- listische Ressentiments gewannen Oberhand.
Sander erinnert sich noch gut an die Debatte über den Generalstreik gegen Atomraketen in den 1980er Jahren. Auch an die Proteste Anfang der 1990er Jahre, als Ramstein zum zentralen Umschlagplatz der US Army für den ersten Golfkrieg und Kriege in Asien und Afrika wurde. Sander – ein Gewerkschafter – kann nicht nachvollziehen, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) noch immer nicht die Schließung der Air-Base fordert. Die US Army sei schon längst kein Jobmotor und Konjunkturfaktor in der Region mehr. Ausscheidende Zivilbeschäftigte aus der Region würden inzwischen durch US-Bürger aus dem Familienumfeld der Militärs ersetzt. Die übrigen Zivilbeschäftigten aus der Region fänden auf der Air Base miserable Beschäftigungsbedingungen vor. Es würden Hungerlöhne ausgezahlt. »Bespitzelung und gegenseitiges Misstrauen bestimmen den Arbeitsalltag«, so Sander. »Ich kenne Zivilbeschäftigte, die auch gegen die USKriegsführung sind. Manche würden gerne mit demonstrieren, haben aber Angst.« Auch andere Teilnehmer kennen kriegsmüde US-Soldaten. Für sie sei die Berufsarmee eine Möglichkeit, in der Gesellschaft aufzusteigen, etwa weil sie ein Studium finanziert. »Die wollen natürlich nicht in Afghanistan sterben«, sagt Protestteilnehmerin Cornelia Burkert-Schmitz. »Die Drohnenkriege machen viele Menschen nachdenklich«, sagt sie. Auch die Sprecherin der Pfälzer Initiative »Entrüstet Euch« nimmt eine steigende Sympathie für die Proteste wahr. »Endlich tut sich was«, so der Tenor bei vielen Menschen.
Ein Grund dafür ist auch, dass die US-Flugzeuge im Landeanflug offenbar im großen Stil Treibstoff ablassen, wie Friedensaktivist Wolfgang Jung sagt. Nach amtlichen Erhebungen sind unter den Einflugschneisen die Krebsrate und der Anteil von Atemwegserkrankungen überdurchschnittlich hoch. Auf dem heutigen Gelände der Airbase soll nach Jungs Vorstellung ein Naherholungsgebiet mit einem großen See entstehen. Dafür müsste die Bundesregierung freilich die US-Streitkräfte bitten, das Land zu verlassen. Das diesjährige Protestcamp wird wohl nicht das letzte gewesen sein.
Die Stimmung in der Bevölkerung scheint zu kippen. Gesten der Solidarisierung hätten zugenommen, berichten Bewohner des Protestcamps.