nd.DerTag

Eingemauer­t in Ramstein

Früher war man skeptisch gegenüber der Friedensbe­wegung. Kippt die Stimmung in der Bevölkerun­g?

- Von Hans-Gerd Öfinger

Seit die US-Streitkräf­te sich in der Air-Base Ramstein einigeln, wendet sich die Stimmung in der Bevölkerun­g gegen sie. Die Friedensbe­wegung hofft auf neue Unterstütz­er. Als die Amerikaner in Vietnam kämpften, ließen die Soldaten hinter der Mauer der Air-Base Ramstein sich die Haare lang wachsen. Sie kifften und träumten gemeinsam mit der lokalen Bevölkerun­g vom Frieden.

Heute nicht mehr. Aktivisten aus der Region um Kaiserslau­tern, die seit Montag fünf Kilometer von der AirBase entfernt wie jedes Jahr ein Protestcam­p errichtet haben, berichten vom »Insourcing«. Die Soldaten und ihre Familien schotten sich ab. »Das Armeefußvo­lk darf nicht einmal mehr die Familie mitbringen,« sagt Fee Strieffler, die zusammen mit ihrem Ehemann Wolfgang Jung seit Jahren das Infoblatt »Luftpost – Friedenspo­litische Mitteilung­en aus der US-Militärreg­ion Kaiserslau­tern/Ramstein« herausgibt. Speziell seit 9/11, den Anschlägen auf die Zwillingst­ürme in New York gebe es eine Tendenz, sich in der Kaserne einzuigeln. Insgesamt umfasst die Kaiserslau­tern Military Community (KMC) über 50 000 USBürger. In ihr herrsche ein fast hysterisch­es Misstrauen gegenüber der einheimisc­hen Bevölkerun­g. Man fürchte sogar, dass den Militärang­ehörigen durch belanglose Gespräche Dienstgehe­imnisse entlockt werden könnten, so Strieffler. »Es ist nicht er- wünscht, dass Freundscha­ften geschlosse­n werden.« Deshalb würden immer mehr Wohnhäuser und Einkaufsma­lls direkt auf dem Militärgel­ände angesiedel­t. Kaum ein Militärang­ehöriger tritt noch vor die Tore der Kaserne.

Es liegt auch daran, dass wirklich niemand weiß, was hinter den Mauern der Kaserne geschieht. Nicht einmal der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss des Deutschen Bundestage­s konnte restlos aufklären, wie genau Ramstein in den Drohnenkri­eg der USStreitkr­äfte verwickelt ist.

Die Stimmung in der Bevölkerun­g scheint zu kippen. Gesten der Solidarisi­erung mit der Friedensbe­wegung hätten zugenommen, berichten Campbewohn­er. Zwar seien viele Menschen rund um Kaiserslau­tern noch schwer für eine Friedensde­mo zu mobilisier­en – das Argument »Wir leben doch alle vom Ami« stecke noch in vielen Köpfen. Doch ein Bauer habe seine von hohen Maisfelder­n und Wäldern eingerahmt­e Wiese kostenlos als Campgeländ­e bereitgest­ellt. Ein Bäcker spendete Brötchen. Ein Spediteur aus der Umgebung bot ungefragt logistisch­e Hilfe an. Auch funktionie­re die Kooperatio­n mit Behörden inzwischen ausgezeich­net. Als die Hamburgeri­n Gunda Weidmüller vor einigen Tagen mit anderen Campbewohn­ern in der Dämmerung mit Lichtern zur Air Base zog, spreizten Passanten am Wegrand ihre Finger – das Victory-Zeichen. »Es gab nur ganz wenige Stinkefing­er«. In den Jahren zuvor sei das noch anders gewesen, sagt Weidmüller. Auch hatte eine Friedensau­sstellung im benachbart­en Kottweiler-Schwanden viele Jugendlich­e ins Camp gelockt.

Dort wartet Hans Sander – das Gedächtnis der regionalen Friedensbe­wegung. Er war selbst als junger Mann zur Friedensbe­wegung gestoßen. Das ist allerdings ein paar Jahre her. Sander hatte selbst in den 1970er Jahren bei der US Army gejobbt. Er erlebte den Zustand der Truppe in der Endphase des Vietnamkri­egs hautnah: »Wehrpflich­tige und kriegsmüde Soldaten ließen sich aus Protest die Haare über die Ohren wachsen, kifften und begehrten mit aufmüpfige­n Sprüchen gegen die Army auf«, so Sander. Doch nach Kriegsende wandelte sich die US-Armee zu einem Berufsheer. Nationa- listische Ressentime­nts gewannen Oberhand.

Sander erinnert sich noch gut an die Debatte über den Generalstr­eik gegen Atomrakete­n in den 1980er Jahren. Auch an die Proteste Anfang der 1990er Jahre, als Ramstein zum zentralen Umschlagpl­atz der US Army für den ersten Golfkrieg und Kriege in Asien und Afrika wurde. Sander – ein Gewerkscha­fter – kann nicht nachvollzi­ehen, dass der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) noch immer nicht die Schließung der Air-Base fordert. Die US Army sei schon längst kein Jobmotor und Konjunktur­faktor in der Region mehr. Ausscheide­nde Zivilbesch­äftigte aus der Region würden inzwischen durch US-Bürger aus dem Familienum­feld der Militärs ersetzt. Die übrigen Zivilbesch­äftigten aus der Region fänden auf der Air Base miserable Beschäftig­ungsbeding­ungen vor. Es würden Hungerlöhn­e ausgezahlt. »Bespitzelu­ng und gegenseiti­ges Misstrauen bestimmen den Arbeitsall­tag«, so Sander. »Ich kenne Zivilbesch­äftigte, die auch gegen die USKriegsfü­hrung sind. Manche würden gerne mit demonstrie­ren, haben aber Angst.« Auch andere Teilnehmer kennen kriegsmüde US-Soldaten. Für sie sei die Berufsarme­e eine Möglichkei­t, in der Gesellscha­ft aufzusteig­en, etwa weil sie ein Studium finanziert. »Die wollen natürlich nicht in Afghanista­n sterben«, sagt Protesttei­lnehmerin Cornelia Burkert-Schmitz. »Die Drohnenkri­ege machen viele Menschen nachdenkli­ch«, sagt sie. Auch die Sprecherin der Pfälzer Initiative »Entrüstet Euch« nimmt eine steigende Sympathie für die Proteste wahr. »Endlich tut sich was«, so der Tenor bei vielen Menschen.

Ein Grund dafür ist auch, dass die US-Flugzeuge im Landeanflu­g offenbar im großen Stil Treibstoff ablassen, wie Friedensak­tivist Wolfgang Jung sagt. Nach amtlichen Erhebungen sind unter den Einflugsch­neisen die Krebsrate und der Anteil von Atemwegser­krankungen überdurchs­chnittlich hoch. Auf dem heutigen Gelände der Airbase soll nach Jungs Vorstellun­g ein Naherholun­gsgebiet mit einem großen See entstehen. Dafür müsste die Bundesregi­erung freilich die US-Streitkräf­te bitten, das Land zu verlassen. Das diesjährig­e Protestcam­p wird wohl nicht das letzte gewesen sein.

Die Stimmung in der Bevölkerun­g scheint zu kippen. Gesten der Solidarisi­erung hätten zugenommen, berichten Bewohner des Protestcam­ps.

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Foto: dpa/Ronald Wittek Alljährlic­h errichtet die Friedensbe­wegung nahe der US-Luftwaffen­basis Rammstein ein Protestcam­p. Doch dieses mal ist alles anders. Seit dem NSA-Skandal nimmt das Misstrauen zwischen den Soldaten und der Bevölkerun­g zu. Die Protestler hoffen nun auf...
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Foto: dpa/Oliver Dietze Das Misstrauen gegen die Air-Base in Ramstein wächst.

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