nd.DerTag

Mit Schlagring, Hitlergruß und Fanschal

Laut Robert Claus tummeln sich unter Hooligans nicht nur Neonazis, sondern auch Kampfsport­ler. Eine explosive Mischung.

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»Hoo Na Ra« schallt es lautstark durch die Halle, immer wieder in einzelnen Silben, während sich die Kämpfer gegenseiti­g beharken. Die Abkürzung steht für »Hooligans Nazis Rassisten«, ein in den 2000er Jahren gegründete­s Netzwerk aus Chemnitzer und Zwickauer Hooligans, eng mit der westsächsi­schen Kameradsch­aftsszene vernetzt. Doch gehen sie nicht nur zum Fußball, vielmehr entwickelt­en sich die lokalen Fight-Nights im vergangene­n Jahrzehnt in Chemnitz und Plauen zu zentralen Treffpunkt­en der Szene. Mehr als hundert Hooligans besuchen die Events und skandieren ihren Code. Im Publikum auch Nazis, die Jahre später im Rahmen der Ermittlung­en zum NSU in den Fokus der Öffentlich­keit geraten. Regelmäßig kommt das Milieu zusammen.

So hat sich der organisier­te Kampfsport in den Nullerjahr­en zum zweiten Standbein der rechten Hooligansz­ene entwickelt – neben dem Fußball. Auch Dresdner Hools – welche beim Länderspie­l in Prag gemeinsam mit Chemnitzer und Zwickauer Hooligans durch Nazisprüch­e auffielen – sind tief im Kampfsport verwurzelt und seit vielen Jahren mit Rechtsextr­emen vermengt. Auch deshalb gerieten zwei Gruppen seit 2011 in den Fokus der Strafverfo­lgung: Sowohl gegen die »Faust des Ostens« als auch gegen die »Hooligans Elbflorenz« wurden Verfahren eröffnet, das zweite führte zu einem Präzedenzf­all im Januar 2015. Erstmals wurden Hooligans wegen der Bildung einer kriminelle­n Vereinigun­g belangt. Das Gericht ordnete die »Ackermatch­es« – geheime Gruppenkäm­pfe in abgelegene­n Wäldern – als gemeinscha­ftliche geplante Körperverl­etzung ein. Auch die »Hooligans Elbflorenz« boten zweimal wöchentlic­h ein offenes Kampfsport­training an: Schnupperk­urse für Interessie­rte.

Die Hooligansz­ene profession­alisierte ihre Gewalt meist fernab der großen Öffentlich­keit. So manche Fight-Night in Ostdeutsch­land wurde von rechten Hooligans veranstalt­et, nicht selten standen Neonazis und Rocker am und manchmal auch im Ring. Das Imperium Fight Team aus Leipzig ist einer der Vorreiter und organisier­t Events. Doch beschränkt es sich nicht auf Kämpfe im Käfig, die ausgebilde­te Gewalt fand ihren Weg allzu oft auf die Straße. Bei den Randalen von über 200 rechten Hooligans im Januar 2016 durch die Leipziger Innenstadt waren auch Kämpfer des genannten Gyms beteiligt. Der Leipziger Ableger von Pegida feierte seinen einjährige­n Geburtstag an dem Abend. Hooliganis­mus und rechte Gewalt gehen schon lange Hand in Hand.

Natürlich besteht auch die Welt des Kampfsport­s nicht nur aus rechten Hooligans. Doch sind die Berührungs­ängste allzu oft erschrecke­nd gering. Kaum eine rechte Kleidungs- marke findet Gegenwehr, ein kleiner Markt hat sich formiert – mit internatio­nalen Verbindung­en. Das Dresdner Label »Greifvogel« beispielsw­eise wirbt auf einer gemeinsame­n Homepage mit der russischen Neonazimar­ke »White Rex«. Dessen Gründer, der Moskauer Hooligan Denis Nikitin, sponsert das rechtsextr­eme Event »Kampf der Nibelungen«, welches seit fünf Jahren in NRW und Hessen stattfinde­t, und hat die Verbindung aus Hooligans und Neonazis zu seinem Geschäftsf­eld gemacht. Sie treffen dabei auf ein Vakuum, da der deutsche Markt für die internatio­nal großen Marken noch zu klein ist. Wie immer machen sich Nazis dort breit, wo sie wenig Gegenwehr bekommen.

Der DFB hingegen hat einen Teil seiner dringenden Hausaufgab­en gemacht: Waren nicht alle Präsidente­n in seiner Geschichte zu klaren Worten gegen Rechts fähig, zog Reinhard Grindel in den vergangene­n Tagen klare Kante. Der Verband finanziert soziale Arbeit mit Fußballfan­s und vergibt Preise für soziales Engagement. Manchmal würde man sich mehr Konsequenz und Effektivit­ät der Maßnahmen wünschen, doch ist eine Entwicklun­g zu sehen, die manch andere Sportart noch vor sich hat. Und ebenso manches Ministeriu­m: Äußerungen wie die des Bundesinne­n- und somit auch Sportminis­ters Thomas de Maizière (CDU), dass die staatliche­n Programme gegen Rechtsextr­emismus ein »Übergewich­t« hätten, sind der falsche Weg. Die Szene der rechten Hools hat sich profession­alisiert, ist kampfsport­erfahren und internatio­nal vernetzt. Weshalb es stärkere Förderunge­n braucht, um auch die Arbeit gegen Rechtsextr­emismus weiter zu profession­alisieren. Es ist Zeit für Prävention im Kampfsport, Herr de Maizière.

 ??  ?? Robert Claus ist Experte für Fußball und Fankultur. Seine Buch »Hooligans – Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik« erscheint diesen Monat. im »Verlag Die Werkstatt«.
Robert Claus ist Experte für Fußball und Fankultur. Seine Buch »Hooligans – Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik« erscheint diesen Monat. im »Verlag Die Werkstatt«.

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