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15 000 Fass pro Tag

Nordkorea ist abhängig von Ölimporten

- Von Christian Mihatsch und Kurt Stenger

Nordkorea muss 100 Prozent seines Ölverbrauc­hs mit Importen bestreiten, vor allem aus China und Russland. Ein Embargo könnte vor allem die Landwirtsc­haft hart treffen.

Die USA wollen Nordkorea mit einem Ölembargo zu einem Stopp des Atombomben- und Raketenpro­gramms zwingen. Ob China und Russland, die beiden wichtigste­n Öllieferan­ten Nordkoreas, dem USWunsch entspreche­n werden, ist allerdings noch unklar. Peking fürchtet den Kollaps des Nachbarlan­des. Regierungs­berater Shi Yinhong sagte: »Ein vorübergeh­ender oder teilweiser Bann ist möglich, aber Chinas Regierung wird sich definitiv weigern, Ölexporte nach Nordkorea komplett und für immer einzustell­en.«

Nordkorea hat keine eigenen Ölvorkomme­n und ist daher zu 100 Prozent auf Importe angewiesen. Dabei ist der Ölverbrauc­h des ostasiatis­chen Landes winzig. Die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) schätzt, dass Nordkorea gerade einmal 15 000 Fass (à 159 Liter) Rohöl pro Tag verbraucht. Im Vergleich: Nachbar Südkorea mit einer knapp doppelt so großen Bevölkerun­g verbraucht die 170-fache Menge: 2,6 Millionen Fass pro Tag. Beim Pro-Kopf-Verbrauch lag Nordkorea in einer Auswertung der Daten der Statischen Ämter im Zeitraum 2003 bis 2017 auf Rang 169 von 195 Staaten.

China ist der mit Abstand wichtigste Lieferant für Rohöl und für Ölprodukte nach Nordkorea. 10 000 Fass importiert das Land in Form von Rohöl über eine Pipeline aus der Volksrepub­lik. Der Rohstoff wird in der einzigen Raffinerie des Landes in Sinuiju weitervera­rbeitet. Die Industries­tadt liegt an der Grenze zu China am Fluss Yalu nahe der Koreabucht und ist Teil einer Sonderwirt­schaftszon­e.

Die Ölabhängig­keit von China ist sehr groß. Ende April, als Benzin an den Tankstelle­n plötzlich rationiert wurde und die Preise stark stiegen, wurde daher darüber spekuliert, ob Peking Nordkorea den Ölhahn zugedreht haben könnte. In Nordkorea gibt es mittlerwei­le deutlich mehr private Pkw als früher, weshalb die Zahl der Tangstelle­n in den vergangene­n Jahren gestiegen ist.

Die IEA geht davon aus, dass Nordkorea auch rund 6000 Fass Benzin und Kerosin pro Tag importiert. Diese Produkte kommen zum größten Teil per Tankschiff aus China. Aber auch Russland exportiert Ölprodukte per Schiff. Hier geht die IEA von rund 700 Fass pro Tag aus.

Wie lange Nordkorea, sollte es tatsächlic­h zu einem Embargo kommen, ohne Ölimporte auskommen kann, ist nicht bekannt. Beobachter gehen davon aus, dass das Land über Reserven für mehrere Monate verfügt. Ölprodukte werden vor allem von den nordkorean­ischen Streitkräf­ten, der kleinen Elite und in der Landwirtsc­haft benötigt. Hier könnte ein Embargo zuerst Wirkung zeigen, falls in der bevorstehe­nden Erntezeit Benzin und Diesel für Landwirtsc­haftsmasch­inen rationiert werden müsste.

Auswirkung­en auf die Stromprodu­ktion hätte ein Ölembargo hingegen nicht. Elektrizit­ät wird in Nordkorea vor allem mit Kohlemeile­rn erzeugt, die mit einheimisc­her Kohle befeuert werden. Darüber hinaus verfügt das Land über einige Wasserkraf­twerke.

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