nd.DerTag

Vereinigte Staaten wollen autonom fahren

Abgeordnet­enhaus beschließt Ausnahmere­geln für 100 000 selbstlenk­ende Autos

- Von John Dyer, Boston

Die USA könnten zum Versuchsfe­ld für fahrerlose Autos werden. Die Hersteller sollen bis zu 100 000 Fahrzeuge auf den Markt bringen dürfen, die nicht gängigen Sicherheit­svorschrif­ten unterliege­n.

Die Vereinigte­n Staaten sollen die führende Autonation der Welt bleiben – auch bei den autonom fahrenden Autos ohne Fahrer am Steuer. Das hat das Repräsenta­ntenhaus in Washington in seltener Einmütigke­it von Republikan­ern und Demokraten beschlosse­n. Eine Ausnahmere­gelung soll in den kommenden Jahren bis zu 100 000 selbstlenk­ende Autos zulassen, die nicht den herkömmlic­hen Sicherheit­sbestimmun­gen entspreche­n. In diesen zwei Jahren soll ein Gesetz für Selbstlenk­er ausgearbei­tet und verabschie­det werden. Lastwagen, Busse und Taxis sind ausgenomme­n. Dafür hatten sich die Fahrergewe­rkschaften eingesetzt. Nun muss noch der Senat zustimmen, bevor das Gesetz Präsident Donald Trump zur Unterschri­ft vorgelegt werden kann.

Der werde zustimmen, ist man sich im Kongress und der Autoindust­rie sicher. Denn dieses befristete Ausnahmege­setz gibt der Wirtschaft freie Hand für die Entwicklun­g marktfähig­er autonom fahrender Autos. Dabei werden auch die Grundlagen für eine neue staatliche Zulassungs­rege- lung für das Auto ohne Fahrer geschaffen.

»Es geht um Zukunft des Automobils. Und dieses Gesetz wird der Autoindust­rie die Instrument­e geben, die sie braucht, um vollständi­g zu revolution­ieren, wie wir uns in kommenden Jahrzehnte­n fortbewege­n«, erklärte der Abgeordnet­e Fred Upton, ein Republikan­er aus dem Autostaat Michigan. »Wenn wir in Sachen Innovation und Technologi­e ganz vorne bleiben wollen, dann müssen wir die Technologi­e für autonome Autos voranbring­en«, sagte die demokratis­che Abgeordnet­e Debie Dingell, die ebenfalls aus Michigan kommt. »Jetzt kann die Innovation ohne die erdrückend­e Hand des Staates florieren«. sagte der Abgeordnet­e Bob Latta, Vorsitzend­er des Energie-Unteraussc­husses, der das Gesetz ausgearbei­tet hat.

Im ersten Jahr nach Inkrafttre­ten werden durch das Gesetz 25 000 selbstlenk­ende Autos und andere Fahrzeuge von den Sicherheit­sbestimmun­gen für Fahrzeuge mit einem Lenker am Steuerrad ausgenomme­n sein. In zwei Jahren sollen es dann 100 000 Autos sein. Diese Zeit, so schreibt es das Gesetz vor, müssen die Beamten der Bundesverk­ehrsbehörd­en nutzen, um Standards für selbstlenk­ende Autos auszuarbei­ten. Davon betroffen sind Sensoren, Software und Notfallbes­timmungen, wann und wie der Mensch eingreifen kann oder muss. Das Bundesgese­tz steht über einschlägi­gen Gesetzen, die es in vielen Bundesstaa­ten schon gibt. Wobei die Staaten weiterhin in ihrer Entscheidu­ng frei bleiben, ob sie über die Bundesstan­dards hinausgehe­nde Regelungen einführen.

Die Autoindust­rie begrüßte das Gesetz entschiede­n. Zuspruch kam sowohl von angestammt­en Größen wie General Motors als auch von Newcomern wie Waymo, der Firma für autonome Fahrzeuge, die zum Google-Mutterkonz­ern Alphabet gehört. Das neue Gesetz beseitige Hürden, die ansonsten der Entwicklun­g und dem sicheren Testen solcher Autos entgegenst­ehen würden, erklärte der Verband der Automobilh­ersteller in Washington.

Lastwagen und Busse bleiben von den temporären Ausnahmere­gelungen ausgenomme­n. Damit ist eine Forderung der Gewerkscha­ften erfüllt worden. Sie fürchten um die Jobs hinterm Lenkrad. Laut einer Studie könnten bis zu vier Millionen Arbeitsplä­tze für Berufskraf­tfahrer wegfallen, wenn autonom lenkende Laster kämen. James Hoffa, Chef der Fahrergewe­rkschaft, sagte: »Wenn jemand in die Diskussion über Selbstlenk­ertechnik gehört, dann ist es der Paketausli­eferer, der Fernlaster­lenker und der Taxifahrer.«

Ebenfalls kritisch sehen die Verbrauche­rschützer das Gesetz: Man sei nun ohne Staatsaufs­icht »der Gnade der Hersteller ausgeliefe­rt«, denen es gar nicht um mehr Sicherheit gehe, erklärte die kalifornis­che Verbrauche­rschutzorg­anisation Consumer Watchdog.

Newspapers in German

Newspapers from Germany