Vereinigte Staaten wollen autonom fahren
Abgeordnetenhaus beschließt Ausnahmeregeln für 100 000 selbstlenkende Autos
Die USA könnten zum Versuchsfeld für fahrerlose Autos werden. Die Hersteller sollen bis zu 100 000 Fahrzeuge auf den Markt bringen dürfen, die nicht gängigen Sicherheitsvorschriften unterliegen.
Die Vereinigten Staaten sollen die führende Autonation der Welt bleiben – auch bei den autonom fahrenden Autos ohne Fahrer am Steuer. Das hat das Repräsentantenhaus in Washington in seltener Einmütigkeit von Republikanern und Demokraten beschlossen. Eine Ausnahmeregelung soll in den kommenden Jahren bis zu 100 000 selbstlenkende Autos zulassen, die nicht den herkömmlichen Sicherheitsbestimmungen entsprechen. In diesen zwei Jahren soll ein Gesetz für Selbstlenker ausgearbeitet und verabschiedet werden. Lastwagen, Busse und Taxis sind ausgenommen. Dafür hatten sich die Fahrergewerkschaften eingesetzt. Nun muss noch der Senat zustimmen, bevor das Gesetz Präsident Donald Trump zur Unterschrift vorgelegt werden kann.
Der werde zustimmen, ist man sich im Kongress und der Autoindustrie sicher. Denn dieses befristete Ausnahmegesetz gibt der Wirtschaft freie Hand für die Entwicklung marktfähiger autonom fahrender Autos. Dabei werden auch die Grundlagen für eine neue staatliche Zulassungsrege- lung für das Auto ohne Fahrer geschaffen.
»Es geht um Zukunft des Automobils. Und dieses Gesetz wird der Autoindustrie die Instrumente geben, die sie braucht, um vollständig zu revolutionieren, wie wir uns in kommenden Jahrzehnten fortbewegen«, erklärte der Abgeordnete Fred Upton, ein Republikaner aus dem Autostaat Michigan. »Wenn wir in Sachen Innovation und Technologie ganz vorne bleiben wollen, dann müssen wir die Technologie für autonome Autos voranbringen«, sagte die demokratische Abgeordnete Debie Dingell, die ebenfalls aus Michigan kommt. »Jetzt kann die Innovation ohne die erdrückende Hand des Staates florieren«. sagte der Abgeordnete Bob Latta, Vorsitzender des Energie-Unterausschusses, der das Gesetz ausgearbeitet hat.
Im ersten Jahr nach Inkrafttreten werden durch das Gesetz 25 000 selbstlenkende Autos und andere Fahrzeuge von den Sicherheitsbestimmungen für Fahrzeuge mit einem Lenker am Steuerrad ausgenommen sein. In zwei Jahren sollen es dann 100 000 Autos sein. Diese Zeit, so schreibt es das Gesetz vor, müssen die Beamten der Bundesverkehrsbehörden nutzen, um Standards für selbstlenkende Autos auszuarbeiten. Davon betroffen sind Sensoren, Software und Notfallbestimmungen, wann und wie der Mensch eingreifen kann oder muss. Das Bundesgesetz steht über einschlägigen Gesetzen, die es in vielen Bundesstaaten schon gibt. Wobei die Staaten weiterhin in ihrer Entscheidung frei bleiben, ob sie über die Bundesstandards hinausgehende Regelungen einführen.
Die Autoindustrie begrüßte das Gesetz entschieden. Zuspruch kam sowohl von angestammten Größen wie General Motors als auch von Newcomern wie Waymo, der Firma für autonome Fahrzeuge, die zum Google-Mutterkonzern Alphabet gehört. Das neue Gesetz beseitige Hürden, die ansonsten der Entwicklung und dem sicheren Testen solcher Autos entgegenstehen würden, erklärte der Verband der Automobilhersteller in Washington.
Lastwagen und Busse bleiben von den temporären Ausnahmeregelungen ausgenommen. Damit ist eine Forderung der Gewerkschaften erfüllt worden. Sie fürchten um die Jobs hinterm Lenkrad. Laut einer Studie könnten bis zu vier Millionen Arbeitsplätze für Berufskraftfahrer wegfallen, wenn autonom lenkende Laster kämen. James Hoffa, Chef der Fahrergewerkschaft, sagte: »Wenn jemand in die Diskussion über Selbstlenkertechnik gehört, dann ist es der Paketauslieferer, der Fernlasterlenker und der Taxifahrer.«
Ebenfalls kritisch sehen die Verbraucherschützer das Gesetz: Man sei nun ohne Staatsaufsicht »der Gnade der Hersteller ausgeliefert«, denen es gar nicht um mehr Sicherheit gehe, erklärte die kalifornische Verbraucherschutzorganisation Consumer Watchdog.