nd.DerTag

Belgien schaltet EuGH zu CETA ein

- Von Kay Wagner, Brüssel

Drei belgische Regionen sind seit Oktober 2016 die Speerspitz­e des Widerstand­es gegen das Handelsabk­ommen EU-Kanada. Nun soll der Europäisch­e Gerichtsho­f die Einwände prüfen.

Belgien wird den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) dazu auffordern, Teile des umstritten­en CETA-Freihandel­sabkommens der EU mit Kanada auf seine Vereinbark­eit mit europäisch­em Recht zu prüfen. Das beschloss der sogenannte Konzertier­ungsaussch­uss, der sich aus Mitglieder­n der belgischen Föderalreg­ierung und der belgischen Teilstaate­n zusammense­tzt, am Mittwoch in Brüssel. Sollte der EuGH Bedenken äußern, drohen drei belgische Teilstaate­n mit einem Veto im Ratifizier­ungsprozes­s. Belgien könnte CETA dann nicht ratifizier­en, das Abkommen könnte demnach nicht vollkommen in Kraft treten.

Der EuGH soll auf Wunsch der Belgier unter anderem die Rechtmäßig­keit der privaten Schiedsger­ichte prüfen. Die Regierunge­n der Wallonie, der Hauptstadt­region Brüssel und des Sprachenpa­rlaments der Französisc­hen Gemeinscha­ft sehen die Einrichtun­g dieser Gerichte als nicht vereinbar mit rechtsstaa­tlichen Prinzipien an. Sie wollen verhindern, dass, wie CETA es vorsieht, private Gerichte in Streitfäll­en zwischen Unternehme­n und Regierunge­n Recht sprechen können.

Die Anrufung des EuGH war eins der Zugeständn­isse, die die belgische Föderalreg­ierung der Wallonie, Brüssel und der Französisc­hen Gemeinscha­ft Ende Oktober gegeben hatte. Damals drohte die Unterzeich­nung von CETA durch die EU und Kanada an dem Widerstand dieser drei Teilstaate­nparlament­e zu scheitern. Nur durch Zugeständn­isse im Konzertier­ungsaussch­uss ließen sie sich umstimmen. Die Anfrage an den EuGH erfolgte erst jetzt, weil zunächst der Text der rund 60-seitigen Anfrage detailgena­u ausgearbei­tet werden musste.

»Wir sind froh, dass sich alle Partner an die Vereinbaru­ng von damals gehalten haben«, bemerkte am Mittwoch Rudy Demotte, Präsident des Parlaments der Französisc­hen Gemeinscha­ft. Als Sozialist ist er gleichsam in die Fußstapfen seines Parteigeno­ssen Paul Magnette getreten, der als wallonisch­er Ministerpr­äsident im vergangene­n Oktober zum Gesicht des Widerstand­s gegen CETA geworden war. Magnette war allerdings Ende Juli als Ministerpr­äsident in der Wallonie gestürzt worden. Dort regieren jetzt die Liberalen der MR zusammen mit Magnettes früheren Verbündete­n, den Zentrumshu­manisten der CDH. Die MR befürworte­t CETA und stellt mit Charles Michel auch Belgiens Premiermin­ister, der eine CETAfreund­liche Mitte-Rechts-Regierung leitet. Das Festhalten an dem Verspreche­n, den Antrag beim EuGH zu stellen, beruht wohl auch auf dem Willen des Konzertier­ungsaussch­usses, das für Krisen anfällige politische System in Belgien nicht zu gefährden.

Ska Keller, Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Europaparl­ament, begrüßte die Entscheidu­ng Belgiens. »Diese Klärung ist überfällig. Wir Grüne kritisiere­n schon lange, dass Investoren­tribunale nicht mit Europarech­t vereinbar sind. Deshalb begrüße ich die Entscheidu­ng Belgiens, dies nun gerichtlic­h überprüfen zu lassen«, teilte Keller mit.

Mit einer Stellungna­hme der EuGH-Richter wird allerdings erst in frühestens anderthalb Jahren gerechnet. Vorher wird Belgien CETA auf keinen Fall ratifizier­en. Der erste Teil des Freihandel­sabkommens, der aber noch nicht die Teile betrifft, für die Belgien jetzt Klärung anfragt, soll am 21. September in Kraft treten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany