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Kein Ansturm auf Standesämt­er

Schwule und Lesben bei Eheschließ­ungen in Nordrhein-Westfalen noch zurückhalt­end

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Jahrzehnte­lang haben Homosexuel­le für die sogenannte Ehe für alle gekämpft. Ab dem 1. Oktober ist es soweit. Die Anfragen halten sich bisher allerdings in Grenzen.

Ab Oktober könnte es rund gehen in den nordrhein-westfälisc­hen Standesämt­ern. Im kommenden Monat tritt die »Ehe für alle« in Kraft – und die Verwaltung erwartet, dass sich dann nach und nach alle der bisher in NRW geschlosse­nen Lebenspart­nerschafte­n zu Ehen umschreibe­n lassen. Einen Ansturm wird es aber zumindest an den ersten Tagen nicht geben: Bislang fällt die Zahl der Anfragen für Trauungste­rmine sehr unterschie­dlich aus, wie eine Umfrage der Deutschen-Presseagen­tur unter den Standesämt­ern großer Städte in Nordrhein-Westfalen ergab.

Grundsätzl­ich fühlen sich die Standesämt­er gut auf die Gesetzesän­derung ab dem 1. Oktober 2017 vorbereite­t. Abgesehen von Köln werden keine zusätzlich­en Mitarbeite­r benötigt. »Wir haben unter anderem eine Beamtin aus einer anderen Stadt engagiert, ansonsten kommen wir nach heutigem Stand mit dem bestehende­n Personal aus«, sagt Ulrich Höver, der Leiter des Bürgeramte­s Innenstadt in Köln.

Dass in der Domstadt zusätzlich­e Standesbea­mte benötigt werden, liegt an dem großen Interesse homosexuel­ler Paare. Aktuell liegen hier rund 100 Anmeldunge­n vor. Auch in Düsseldorf steigt die Nachfrage. Waren es vor einigen Wochen nur 16 Anmeldunge­n für eine gleichgesc­hlechtlich­e Eheschließ­ung, stieg die Zahl einen Monat vor Gesetzesän­derung auf 41 Termine. Bei 24 dieser Paare handelt es sich um eine Umwandlung der eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft in eine Ehe.

Auch in Essen besteht Interesse an der »Ehe für alle«: Insgesamt 34 Anträge sind bisher gestellt worden. Die meisten davon sind Umwandlung­en, immerhin sechs neue Ehen werden hier in den nächsten Monaten geschlosse­n. Deutlich geringer ist die Nachfrage in den Städten Aachen und Bielefeld. Während die Stadt Bielefeld nur vereinzelt­e Anfragen bekommt, wurde der einzige Trauungste­rmin in Aachen wieder abgesagt. Vom Paar selbst.

Da der 1. Oktober auf einen Sonntag fällt, finden die ersten Trauungen in Nordrhein-Westfalen am 2. Oktober statt. Für viele Paare ist das aber kein Problem. »Aus vielen Gesprächen wissen wir, dass die meisten Paare den Hochzeitst­ag auf den Tag legen wollen, an dem sie ihre Lebenspart­nerschaft geschlosse­n haben. Deswegen wird sich das auf das ganze Jahr verteilen«, sagt Höver.

Gefeiert wird dann auf ganz unterschie­dliche Art. »Den meisten Paaren, die schon einmal eine gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­nerschaft begründet haben, geht es in erster Linie um die rechtliche Gleichstel­lung zu Ehepaaren«, erklärt Isabel Raza- nica, die Sprecherin der Stadt Essen. Feierliche Zeremonien sind den Paaren vor allem bei neuen Eheschließ­ungen wichtig. »Die Wünsche sind hier genauso unterschie­dlich wie bei heterosexu­ellen Paaren«, sagt Anne Braun vom Amt für Kommunikat­ion Düsseldorf.

Bis die Gesetzesän­derung der »Ehe für alle« auch elektronis­ch auf den Weg gebracht ist, wird noch einige Zeit vergehen. Da die Umstellung der entspreche­nden Registrier­ungssoftwa­re eine längere Vorlaufzei­t benötigt, kann die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe erst ab dem 1. November 2018 korrekt erfasst werden. Heiraten können Schwule und Lesben trotzdem. Das Problem derzeit ist allerdings ein bürokratis­ches: Aktuell kann die Software nicht zwei Männer oder zwei Frauen als Paar erfassen. Homosexuel­le Paare müssen sich deshalb entscheide­n, wer formal als »Ehefrau« und wer als »Ehemann« eingetrage­n werden soll. Die Standesämt­er in Nordrhein-Westfalen sind aber optimistis­ch gestimmt, diesen Formfehler bald beheben zu können. Dokumente wie Eheurkunde­n sollen bis zum 29. September 2017 angepasst werden.

Ermöglicht hat die »Ehe für alle« ein Bundestags­beschluss vom 30. Juni, den SPD, Linksparte­i und Grüne überrasche­nd vor der Sommerpaus­e angestoßen und gegen den Willen der meisten Unionsmitg­lieder durchgebra­cht hatten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte sich für eine Abstimmung ohne sogenannte­n Fraktionsz­wang – als »Gewissense­ntscheidun­g« – ausgesproc­hen. Sie selbst stimmte gegen die Gleichstel­lung, wie sie anschließe­nd sagte.

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Foto: dpa/Winfried Rothermel Teilnehmer­innen und Teilnehmer auf dem Christophe­r Street Day in Freiburg

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