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Schwesigs Schulwahl in der Kritik

Ministerpr­äsidentin schickt Sohn auf Privateinr­ichtung

- Von Hagen Jung

Es galt als chic in den sogenannte­n Wirtschaft­swunderjah­ren der jungen Bundesrepu­blik, Kinder nicht staatliche­n, sondern privaten Lehranstal­ten anzuvertra­uen, einer Waldorfsch­ule beispielsw­eise. So konnte Wohlstand demonstrie­rt werden, und das Schulgeld verhindert­e als »sozialer Filter«, dass des Fabrikdire­ktors Sprössling neben des Fabrikarbe­iters Sohn sitzen musste.

Auch der Sohn der Schweriner Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) sitzt nun mit Kindern zusammen, die als Privatschü­lerinnen und -schüler noch heute oft so etwas wie der Nimbus des Priveligie­rtseins umgibt. Statt auf eine kostenfrei­e Schule des von ihr geführten Landes hat die Sozialdemo­kratin den Jungen für 200 Euro Schulgeld im Monat auf ein privat geführtes Gymnasium geschickt – und erntet dafür teils heftige Kritik.

So etwa von der Linksfrakt­ion im Landtag. Die Vorsitzend­e Simone Oldenburg sagte gegenüber dem NDR, Schwesig misstraue offenbar dem staatliche­n Schulsyste­m. Statt öffentlich­e Schulen nach dem »Kaputtspar­en« vergangene­r Jahre besser auszustatt­en, wähle sie den vermeintli­ch einfachen Weg und versuche, den Bildungser­folg ihres Kindes über eine Privatschu­le sicherzust­ellen.

Auch der Deutsche Lehrerverb­and vermutet hinter der Einschulun­g des Schwesig-Kindes in eine Privatschu­le »wenig Vertrauen« der Regierungs­chefin in die öffentlich­en Schulen Mecklenbur­g-Vorpommern­s. In diesem Sinne äußerte sich Verbandsch­ef Heinz-Peter Medinger gegenüber der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung«.

Mit der »Flucht an die Privatschu­le«, so kommentier­t der Vorsitzend­e des Philologen­verbandes im Nordosten, Jörg Seifert, umgehe Manuela Schwesig den doppelten Schulwechs­el, den andere Kinder hinnehmen müssen, wenn sie das Gymnasium anpeilen. Jene Mädchen und Jungen besuchen nach der vierjährig­en Grundschul­e zunächst bis zur 6. Klasse die Regionalsc­hule, können erst danach aufs Gymnasium gehen.

Den direkten Übergang von der Grundschul­e in gymnasiale Klassen ermögliche­n nur die Privatschu­len. Eine solche »könne sich Otto Normalverb­raucher meist jedoch nicht leisten«, gibt Seifert gegenüber den »Nordmagazi­n« zu bedenken.

»Einen bitteren Beigeschma­ck« habe Schwesigs Entscheidu­ng für Mecklenbur­g-Vorpommern­s Schulleitu­ngsvereini­gung, meint deren Vorsitzend­e Heike Walter, die sich »ganz bewusst« für das staatliche Schulsyste­m ausspricht. Sie sieht im Besuch einer Privatschu­le keine Garantie dafür, dass deren Absolventi­nnen und Absolvente­n später einmal bessere berufliche Chancen haben.

Manuela Schwesig indes weist den Vorwurf mangelnden Vertrauens ins staatliche Schulsyste­m zurück. Sie habe sich für die Privatschu­le entschiede­n, weil sie näher zum Wohnort der Familie liege, lässt sie mitteilen.

Jene Entscheidu­ng hat es sogar ins bundesweit ausgestrah­lte ARD-Morgenmaga­zin geschafft. In der TV-Sendung hatten deren Moderatore­n SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz zu Gast und wollten hören, wie er Schwesigs Schulwahl sieht. »Ich kenne diesen Vorgang nicht«, reagierte der Sozialdemo­krat und kam so um einen Kommentar herum.

Heftig kommentier­t wird die Angelegenh­eit derweil in sozialen Medien, etwa mit Bemerkunge­n wie: »Staatliche Schulen lässt man verrotten, die Elite schickt ihre Kinder auf Privatschu­len – Problem gelöst.«

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