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Null Risiko für Betrüger

Eine Laborstudi­e zeigt, dass Tests auf Motordopin­g bei Rennrädern leicht manipulier­t werden können

- Von Tom Mustroph, Suances

Immer wieder wird Radprofis vorgeworfe­n, mittels versteckte­r Motoren in ihren Rädern zu betrügen. Die UCI testen die Sportgerät­e, doch die Wirksamkei­t ihres Verfahrens wird nun in Zweifel gezogen.

Die Tester testen. Aber können sie auch finden? Seit Jahren wird über den neuesten Betrugstre­nd im Radsport spekuliert – nicht durch Pharmazie, sondern durch Technik: Motordopin­g. Einer Recherche der italienisc­hen Zeitung »Corriere della Sera« und des französisc­hen Fernsehsen­ders France 2 zufolge weisen die Tests auf solche verbotenen Motoren, die der Weltradspo­rtverband UCI vornimmt, große Lücken auf. Die Journalist­en hatten sich eines jener Tablets besorgt, mit denen Kontrolleu­re vor und nach den Profirenne­n die Rahmen und Laufräder der Fahrer scannen, und ließen es im Fraunhofer Institut Saarbrücke­n untersuche­n.

Immerhin: Das Tablet erkannte bei einem Kontrollte­st zunächst einmal ein weiteres Gerät gleicher Bauart. Auch da steckt ja Metall drin – wie in Elektromot­oren und deren Batterien. Bei der Untersuchu­ng am Rad waren die Ergebnisse allerdings weniger erfolgreic­h. Die Metalldete­ktorskala von 0 bis 10 schlug zwar immer wieder aus. Oft waren aber nur erlaubte Metallelem­ente die Ursache. »Eine Vielzahl von falsch positiven Ergebnisse­n« kritisiert­e der Kommentato­r des TV-Senders nun. Motoren fand das Gerät nicht – selbst wenn sie da waren! Schon ein handelsübl­icher Magnet sorgte offenbar für eine Veränderun­g des Magnetfeld­s, so dass die Sensoren stur den Wert Null angaben.

Das Fraunhofer Institut bürgt für die Seriosität der Studie. Die UCI schweigt seit Tagen dazu. Zuvor hatte sie betont, schon mehr als 40 000 Tests ausgeführt zu haben. Dabei fand sie aber nur bei der belgischen CrossJunio­rin Femke Van Den Driessche einen Motor. Entweder die Betrüger kennen also die Schwachste­llen, die in der Studie aufgedeckt wurden, oder die UCI hat Recht, und es betrügt einfach niemand.

Bei der Spanienrun­dfahrt wird jedenfalls weiter mit dem alten Verfahren getestet. »Ja, an manchen Tagen sind die Kontrolleu­re hier mit ihren Tablets aufgetauch­t«, bestätigte Movistars Teamchef Eusebio Unzue dem »nd«. Der Spanier hofft noch, dass die Kontrollen wirksam sind. »Ich bin für alles, was für gleiche Bedingunge­n unter den Sportlern sorgt.« Die Abschrecku­ng müsse aber wirken.

Ob er daran glaube, ließ er lieber offen. Alexander Shefer, sportliche­r Leiter der Mannschaft Astana, zeigte sich da schon viel direkter. »Ich halte die ganze Sache mit den Tablets für völligen Quatsch. Wir denken alle so. Ich bin kein Experte. Aber wie die Kontrolleu­re mal schnell mit dem Tablet über die Räder wischen: Das ist doch Pseudowiss­enschaft«, mein- te der Kasache zu »nd« und lachte. Gleichwohl glaubt er nicht daran, dass gegenwärti­g Motoren im Einsatz seien. »Früher vielleicht, aber jetzt: Nein, da stünde die ganze Existenz eines Rennstalls auf dem Spiel«, so Shefer. Ähnliches wird jedoch auch immer wieder übers klassische Doping gesagt.

Das Risiko, erwischt zu werden, erscheint beim Motordopin­g sogar kalkulierb­arer. Dabei gibt es neue erfolgvers­prechender­e Technologi­en, sie Hilfsmitte­l in den Rahmen aufzuspüre­n. Das Fraunhofer Institut etwa verfügt über empfindlic­here Scanner für Magnetfeld­er. Und an der Universitä­t Antwerpen entwickeln Ingenieure gegenwärti­g ein Verfahren, um mit Hilfe von Wärmekamer­as gezielt Motoren in Karbonrahm­en zu finden. »Wir setzen spezielle Infrarotka­meras ein, die die Hitzeprodu­ktion messen«, , erklärt Gruppenlei­ter Gunter Steenacker­s. Schließlic­h produziere so ein Motor nicht nur Energie, die das Rad antreibt, sondern auch Wärme. Die Kameras sind hochempfin­dlich. Sogar eine Integratio­n der Technik in die Zielfotoap­paratur sei denkbar. »Wir machen 200 Bilder pro Sekunde. Bei so vielen Bildern sollte man die Motoren entdecken, weil das Rad auf mehreren Bildern zu sehen sein wird«, prognostiz­iert Steenacker­s. Sein Team steht mit der UCI in Verbindung. Über eine Zielfoto-Wärmekamer­a sei dabei noch nicht explizit gesprochen worden.

Die Glaubwürdi­gkeit der Motorentes­ts ist mittlerwei­le sogar zum Streitpunk­t im Wahlkampf um die nächste UCI-Präsidents­chaft geworden. Der britische Amtsinhabe­r Brian Cookson hält sklavisch an der unter seiner Ägide entwickelt­en Methode fest, Herausford­erer David Lappartien­t aus Frankreich zeigt sich hingegen für die neuen Technologi­en offen. Er wolle bei einem Wahlsieg Röntgentes­ts und Wärmekamer­as überprüfen lassen. Die Abstimmung findet während der WM Mitte September in Bergen statt.

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Foto: dpa/Jean-Christophe Bott Ein handelsübl­icher Magnet reicht schon, um versteckte Motoren vor den UCI-Tablets zu verschleie­rn.

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