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Schneise durch die Karibik

Hurrikan »Irma« hat Menschenle­ben gekostet und Trümmerhau­fen hinterlass­en

- Von Hans-Ulrich Dillmann

Tropenstur­m »Irma« hat eine Schneise der Zerstörung auf seinem Weg durch die Karibik hinterlass­en. Experten befürchten, dass die Zahl der Todesopfer in den nächsten Tagen noch steigen könnte. »Es ist, als wäre jemand mit einem Rasenmäher über die Insel gegangen«, berichtete eine Augenzeugi­n dem niederländ­ischen Rundfunk NOS. Auf der niederländ­ischen Insel Sint Maarten hat der Wirbelstur­m fast sämtliche Gebäude schwer beschädigt und das ist keine Ausnahme in der Region. Auf zahlreiche­n Inseln der Kleinen Antillen sind die Gebäude bis zu 95 Prozent beschädigt oder unbewohnba­r. Das gilt zum Beispiel für Barbuda. 1700 Menschen leben auf dem 160 Quadratkil­ometer großen und flachen Eiland. Ein zweijährig­es Kind starb, als seine Mutter versuchte, einen Schutzraum zu erreichen. Die Insel sei ein einziger »Trümmerhau­fen«, 60 Prozent der Bevölkerun­g seien ohne Unterkunft, berichtete der Regierungs­chef des Karibiksta­ats Antigua und Barbuda, Gaston Browne. Eine grobe Schätzung über die Schäden dieser Inseln beläuft sich auf mehr als 180 Millionen Euro.

Der Princess Juliana Internatio­nal Airport, das wichtigste Drehkreuz in der Region, wird längere Zeit geschlosse­n bleiben. Fluggastbr­ücken wurden aus ihrer Verankerun­g gerissen, das Terminal liegt in Schutt und die Check-in-Halle ist überflutet. Im Hafen der Insel wurden Segeljacht­en und Container wie Spielzeug ineinander geschoben.

In Saint Martin, dem französisc­hen Part der mit Sint Maarten geteilten zur EU gehörenden Karibikins­el, hat der Wirbelstur­m fast sämtliche Gebäude schwer beschädigt. Die Polizeibea­mten mussten aus der Präfektur fliehen, als ihnen die Gebäudetei­le um die Ohren flogen. Nur der gut organisier­te Katastroph­enschutz auf den Kleinen Antillen und vorsorglic­he Evakuierun­gen haben höhere Personensc­häden verhindert.

Miss Cecile trauert auf der zum Britischen Überseegeb­iet gehören- den Insel Anguilla um ihre bis zu zwölf Meter hohen Palmen. »Viele Schulkinde­r sind auch schockiert, dass es keine Blätter an den Bäumen gibt«, berichtet die 72 Jahre alte Gärtnerin, »so etwas haben sie noch nie gesehen!«

Der Gouverneur der Britischen Virgin Inseln, Gus Jaspert, bestätigte dem britischen Sender BBC schwere Zerstörung­en. Auch die Turks- und Caicoinsel­n wurden schwer getroffen. Von sechs südlichen BahamasIns­eln waren die Bewohner auf andere Inseln gebracht worden.

In der Dominikani­schen Republik bereitete sich der Zivilschut­z schon seit einer Woche auf den Katastroph­enfall vor. Nach den Erfahrunge­n von Wirbelstur­m »George«, dessen furiose Winde das Land 1998 völlig unvorberei­tet trafen und rund 500 Menschen das Leben kosteten, wurde ein funktionie­rendes Notfallsys­tem aufgebaut. Fast 8000 ausländisc­he Touristen wurden ins Landesinne­re gebracht, Bewohner besonders gefährdete­r Gebiete evakuiert. Deutsche Touristiku­nternehmen ha- ben Flugreisen in die Katastroph­enzone gecancelt und bieten ihren Kunden kostenlose Stornierun­g beziehungs­weise Umbuchunge­n an.

Teile der Nordregion der Dominikani­schen Republik und Haitis sind derzeit ohne Strom, Straßen sind von Abfall und Wasser überflutet, Brücken gesperrt. »Haiti hat Glück gehabt«, sagt Georg Dörken, Landesdire­ktor der Welthunger­hilfe auf Haiti. Bisher wurden nur Überschwem­mungen, beschädigt­e Häuser, eine eingestürz­te Brücke, mehrere Leichtverl­etzte und ein Vermisster gemeldet. Erst im Oktober war der Süden des bitterarme­n Karibik-Staates von Hurrikan »Matthew« verwüstet worden, über 500 Menschen starben.

Immer wahrschein­licher ist, dass der Wirbelstur­m »Irma«, der von der höchsten Warnstufe fünf auf vier zurückgest­uft wurde, an diesem Samstag auf Florida trifft. Mit Sorge blicken die Katastroph­enhelfer und Meteorolog­en derweil Richtung Atlantik. Von dort folgt der bereits zur höchsten Kategorie hochgestuf­te Hurrikan »José« auf »Irma«.

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Foto: AFP Ein Bild der Zerstörung bietet die Insel Sint Maarten.

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