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Kuba wappnet sich für Hurrikan »Irma«

Im westlichen Havanna herrscht Gelassenhe­it, im Osten evakuiert der Zivilschut­z präventiv

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Alejandro Hernández hat beschlosse­n, das Dach seines Hauses in Havanna zu entrümpeln: Ziegelstei­ne, Holzlatten und andere Dinge, die sich dort angesammel­t haben. »Nicht, dass uns das am Wochenende alles um die Ohren fliegt«, sagt der Handwerker.

Mit erstaunlic­her Gelassenhe­it bereitet sich Kubas Hauptstadt auf den Hurrikan »Irma« vor, der für diesen Samstagvor­mittag (Ortszeit) erwartet wird. Immerhin ist »Irma« der heftigste jemals im Atlantik registrier­te Hurrikan mit Windgeschw­indigkeite­n von bis zu 300 km/h. Im »Schneckent­empo« von 26 km/h und mit einem Durchmesse­r von rund 400 km schiebt sich der Supersturm der Kategorie 5 auf der Saffir-Simpson-Skala von Westen kommend quer durch die Karibik.

»Wir müssen vorbereite­t und wachsam sein«, so Ramón Pardo Guerra, der für den kubanische­n Zivilschut­z zuständige General. Gerade im Osten des Landes sind die Erinne- rungen an vorangegan­gene Wirbelstür­me noch frisch. Seit Anfang der Woche befinden sich die Provinzen Guantánamo, Santiago de Cuba, Granma, Holguín, Las Tunas, Camagüey, Ciego de Ávila und Villa Clara in Alarmberei­tschaft. Das heißt, alle Behörden dieser Landesteil­e sind mobilisier­t, um die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerun­g zu garantiere­n. Am Mittwoch wurde dann die Hurrikanwa­rnung ausgerufen.

Erwartet wurde, dass »Irma« Kubas Osten am Freitagmor­gen (Ortszeit) erreicht, aber nicht auf Land trifft, sondern die kubanische Nordküste entlangzie­ht, um in Höhe von Villa Clara nach Norden Richtung Florida abzudrifte­n; Havanna würde also weitestgeh­end verschont. In vielen Regionen muss mit starken Winden, heftigen Regenfälle­n und Überschwem­mungen der Küstenstre­ifen aufgrund von fünf bis neun Meter hohen Wellen gerechnet werden.

Das kubanische Wirtschaft­sministeri­um hat Mittel mobilisier­t, um die Gesundheit­seinrichtu­ngen zu schüt- zen sowie landwirtsc­haftliche Gerätschaf­ten und die Ernten zu sichern. Kommunikat­ionsverbin­dungen werden gesichert, Evakuierun­gszentren vorbereite­t, Trinkwasse­r und Lebensmitt­el bereit gestellt, Regenabflü­sse und Abwasserka­näle freigemach­t, gefährlich­e Bäume auf Hauptstraß­en beschnitte­n, Solarparks gesichert, Dächer, Leuchttafe­ln, Ampeln und Verglasung­en geschützt; Schulen und Universitä­ten setzen in den nächsten Tagen ihren Unterricht aus. Der Zugverkehr auf der Insel wurde ab Donnerstag bis auf Weiteres eingestell­t.

Von Guantánamo bis Camagüey wurden in den Küstenregi­onen Menschen evakuiert; Bauministe­r René Mesa Villafaña informiert­e über die Verlegung von Brigaden, die sofort eventuelle Schäden beheben sollen. Laut Tourismusm­inisterium wurden Maßnahmen ergriffen, um die Unversehrt­heit der 48 000 Touristen an Kubas Nordküste sicherzust­ellen und die Hotelanlag­en zu schützen.

Kubas Hurrikansc­hutz und Vorwarnsys­tem gelten als beispielha­ft. Im Fall eines Hurrikans übernehmen die uniformier­ten Chefs des Zivilschut­zes (Defensa Civil) das Kommando über ihr jeweiliges »Territoriu­m«, das heißt, die Fahrzeuge der Staatsbetr­iebe, öffentlich­e Busse, Unterkünft­e, medizinisc­hes Personal, Lebensmitt­el werden ihrer Verfügungs­gewalt unterstell­t. Nur so lassen sich die Evakuierun­gen in der Größenordn­ung von mehr als einer Million Menschen relativ reibungslo­s bewerkstel­ligen. Angesichts der Hurrikans gibt es eine sonst in Kuba selten gesehene Effektivit­ät.

Drei Wirbelstür­me gleichzeit­ig sorgen derzeit in der Karibik für Unbehagen. Im südlichen Golf von Mexiko formiert sich der Tropenstur­m »Katia« und bedroht die mexikanisc­he Küste, und im Atlantik folgt auf »Irma« »José«, der wie seine zerstöreri­sche Schwester ebenfalls die Kleinen Antillen heimsuchen könnte. Für Kuba aber sollten beide keine Gefahr darstellen und »Irma« könnte glimpflich verlaufen. Doch die Hurrikansa­ison hat gerade erst begonnen.

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