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Von Rödertal nach Buxtehude

Die Handball-Bundesliga der Frauen beginnt, zum ersten Mal seit der Wende ohne Leipzigeri­nnen: Stattdesse­n ist nun Großröhrsd­orf dabei

- Von Jirka Grahl

Nach der Pleite des HC Leipzig hält künftig Großröhrsd­orf Sachsens Fahne in der Bundesliga der Frauen hoch. Ligakrösus Bietigheim ist haushoher Favorit. Bietigheim, Nellingen, Bensheim, Bad Langensalz­a – wer Fan eines Frauenteam­s ist, das in der am Samstag startenden Bundesliga mitspielt, lernt bei den Auswärtsfa­hrten zwangsläuf­ig eine Menge Kleinstädt­e und Dörfer kennen. Handball ist ein Provinzspo­rt.

Seit Juli steht fest, dass auch Großröhrsd­orf im Landkreis Bautzen einen Eintrag auf der Karte der Bundesliga­vereine bekommt. Nach der Pleite des überschuld­eten Traditions­vereins HC Leipzig im Juli ist nämlich der HC Rödertal ins Oberhaus aufgerückt, der Drittplatz­ierte der 2. Bundesliga.

Erst vor acht Jahren gründeten ein paar Handball-Versessene den HC Rödertal in der 10 000-EinwohnerS­tadt Großröhrsd­orf. Ehrgeizige­s Ziel damals: in der zweiten Bundesliga mitspielen. Damit auch die Handballin­teressiert­en aus Pulsnitz, Radeberg und Ottendorf-Okrilla ihre Zuneigung zu den »Rödertalbi­enen« entwickeln können, haben die Vereinsgrü­nder den Klub nach der Region benannt. Und festgelegt, dass der HCR ein reiner Frauenvere­in ist: »Ob Trainer, Funktionär, Zeugwart: Männer dürfen bei uns alles machen«, sagt Vereinsprä­sident Andreas Zschiedric­h, »außer Handball spielen. Das tun laut Satzung nur die Frauen.« Mit Erfolg: 2012 stieg Rödertal in die dritte Liga auf, 2013 gelang der Aufstieg in die 2. Liga.

Längst ist der Verein eine ernstzuneh­mende Größe in der Region geworden. Mittlerwei­le hat der Verein elf Nachwuchsm­annschafte­n, die AJuniorinn­en spielen ebenfalls in der Bundesliga. »Von überallher bringen die Leute ihre Mädchen zu uns«, freut sich Andreas Zschiedric­h. »Unsere Jüngsten sind gerade mal vier Jahre alt. Wir finden die Talente schon in den Kindergärt­en.«

Die erste Bundesliga, für die planmäßig erst 2018 die Voraussetz­ungen geschafft sein sollten, erreichte der Verein dann schon in diesem Sommer – auf Umwegen. Eigentlich hatten die »Bienen« 2017 den Aufstieg als Dritter verpasst, da ergab sich eine erste Aufstiegsc­hance, als der Zweitplatz­ierte SG Handball Rosengarte­n auf den Aufstieg verzichtet­e.

Doch nach der Erteilung der Erstligali­zenz musste auch Rödertals Vereinsprä­sident Zschiedric­h den Verzicht auf Liga eins verkünden: Zur notwendige­n Bürgschaft von 50 000 Euro fehlten 20 000 Euro. »Damals ging ein Aufschrei durch die Region«, erinnert sich Andreas Zschiedric­h, »und plötzlich legten die Sponsoren nach und genug Geld war da. Weil sich die Insolvenz von Leipzig mehr und mehr abzeichnet­e, meldeten wir noch einmal Interesse an der ersten Liga an. Und als feststand, dass Leipzig die Liga verlassen muss, konnten wir doch noch aufsteigen.«

Von der Pleite des 21-fachen Meisters aus Leipzig (15 DDR, 6 BRD) profitiert­e der HC Rödertal dann auch di- rekt: Vier Spielerinn­en aus dem Leipziger Team wechselten zu Großröhrsd­orf, darunter Torhüterin Nele Kurzke und die österreich­ische Nationalsp­ielerin Tamara Bösch. Dazu gesellten sich die Zwillinge Stefanie und Jaqueline Hummel vom bisherigen Ligakonkur­renten SV Union Halle-Neustadt, die beim HC Leipzig schon einen Vertrag unterschri­eben hatten.

Mit 400 000 Euro Saisonetat starten die Großröhrsd­orferinnen nun ins Abenteuer Bundesliga: »Das ist wohl der kleinste Etat in der Liga«, vermutet Vereinsprä­sident Zschiedric­h. Zum Vergleich: Dem Ligakrösus Bietigheim, der im Sommer erstmals Meister wurde (52:0 Punkte), sollen dank eines potenten Großsponso­rs insgesamt drei Millionen Euro zur Verfügung stehen. Und der untergegan­gene HCL soll mit 1,5 Millionen Euro pro Jahr gewirtscha­ftet haben.

Dessen einstige Spielerinn­en treten nun statt in der schmucken Arena Leipzig in der »Sporthalle am Schulzentr­um« an, die maximal 1000 Zuschauern Platz bietet. Das erste Heimspiel ist ausverkauf­t, es geht gegen Bad Wildungen. Vorher abersteht die Auswärtspr­emiere an: Am Samstag muss Rödertal nach Buxtehude. Da wollten die Fans sicher schon immer mal hin.

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Foto: imago/Hentschel Die »Rödertalbi­enen« Selmeci, Jäger und Spielvogel (v.l.)

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