nd.DerTag

So funktionie­rt die Welt

Einzige Runde der sechs wichtigste­n märkischen Spitzenkan­didaten zur Bundestags­wahl

- Von Andreas Fritsche

Vor rund 120 Zuhörern sprechen am Donnerstag­abend die sechs Männer und Frauen, die bei CDU, SPD, LINKE, FDP, Grüne und AfD auf Platz eins der Landeslist­e stehen. Im laufenden Bundestags­wahlkampf ist es das erste und einzige Zusammentr­effen der brandenbur­gischen Spitzenkan­didaten jener Parteien, die am 24. September ganz sicher oder doch aller Voraussich­t nach ins Parlament einziehen werden.

Am Donnerstag­abend diskutiere­n in der brandenbur­gischen Landeszent­rale in den Berliner Ministergä­rten Michael Stübgen (CDU), Dagmar Ziegler (SPD), Kirsten Tackmann (LINKE), Annalena Baerbock (Grüne), Linda Teuteberg (FDP) und Alexander Gauland (AfD). Der Saal ist gut, aber nicht bis auf den letzten Platz gefüllt. Etwas mehr als 120 Zuhörer sind um 19 Uhr versammelt.

Moderator Henry Lohmar von der »Märkischen Allgemeine­n Zeitung« stellt Ziegler als ehemalige Finanzmini­sterin Brandenbur­gs vor, die 2009 gegen die Bildung der rot-roten Koalition gewesen ist. Stübgen präsentier­t er als den erfahrenst­en Bundestags­abgeordnet­en in der Runde, denn der CDU-Politiker sitzt bereits seit 1990 im Parlament. Linda Teuteberg macht der Moderator Kompliment­e, bezeichnet sie als »bekanntest­es Gesicht« der märkischen FDP. Teuteberg strahlt und hört gar nicht mehr auf damit. Über Baerbock heißt es, sie habe in ihrer Jugend Trampolins­pringen als Leistungss­port betrieben. Dann wird Gauland an einen der drei Tische auf dem Podium gebeten. Als Lohmar von »als rassistisc­h empfundene­n Äußerungen« des AfDKandida­ten spricht, verzieht Gauland spitz das Gesicht. Zuletzt wird Tackmann platziert – allein an einen Tisch mit Gauland. Lohmar erwähnt, die Sozialisti­n sei von ihren Genossen mit 100 Prozent nominiert worden, was mit Fug und Recht ein »Honecker-Ergebnis« genannt werden dürfe. Der Seitenhieb zeigt Wirkung. Tackmanns Gesichtszü­ge frieren kurz ein. Bei der launigen Bemerkung schwingt schließlic­h der Vorwurf mit, in der Linksparte­i würden Abstimmung­en vielleicht immer noch so laufen wie weiland unter SED-Generalsek­retär Erich Honecker. Dabei ist das keineswegs so. 100 Prozent sind heute etwas Besonderes.

Etwas müde zieht sich die politische Plauderei hin. Dann lenkt der Moderator das Gespräch auf Windräder und Braunkohle. Gauland formuliert trotzig die Position der AfD: »Wir halten die Energiewen­de schlicht für Unfug.« Dafür gibt es um 20.32 Uhr erstmals an diesem Abend Szenenappl­aus. Ein Dutzend Männer klatscht. Annalena Baerbock schüttelt den Kopf, verweist auf wegbrechen­de Gletscher und absterbend­e Korallenri­ffe. »So funktionie­rt nun einmal die Welt«, erinnert sie an Tatsachen des Klimawande­ls. Doch Gauland kontert trocken: »Nein, so funktionie­rt nur die Welt der Grünen.« Damit hat er, am Gelächter gemessen, sogar schon mehr als ein Dutzend Zuhörer auf seiner Seite. Fast alle müssen schließlic­h lachen, als die Kandidaten ihre Meinung zur Schließung des Flughafens Berlin-Tegel bei Inbetriebn­ahme des neuen Hauptstadt­airports BER kundtun sollen. Gauland witzelt: »Die Frage stellt sich nicht, da der BER nie fertig wird.«

Im Saal sitzen Diplomaten und Abgeordnet­e, vor allem aber Herren aus der Wirtschaft. In diesen Kreisen ist die Energiewen­de wegen der Stromkoste­n unpopulär. Folgericht­ig erntet Linda Teuteberg etwas Beifall, als sie für einen unvoreinge­nommenen Umgang mit der in Verruf geratenen Dieseltech­nologie wirbt.

Kirsten Tackmann hat es vor diesem Publikum nicht leicht. Sie bekommt aber ihren Szenenappl­aus, als sie sagt: »Asyl ist ein Grundrecht. Ich würde selber die Möglichkei­t haben wollen, wenn ich mal in die Situation kommen sollte. Es geht überhaupt nicht, Arme gegen ganz Arme auszuspiel­en.« Diejenigen, die mit Gauland nicht einverstan­den sind, zeigen nun durch ihren Beifall, wo sie in dieser Frage stehen. Auch zu Äußerungen von Ziegler und Baerbock wird dann noch ein bisschen geklatscht. Nur Stübgen bleibt noch ohne einen solchen Erfolg. Es ist nun bereits 21.15 Uhr und immer mehr Zuhörer entfernen sich ins Foyer. Das warme Buffet lockt.

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Foto: Friedrich Bungert Von links: Dagmar Ziegler (SPD), Kirsten Tackmann (LINKE), Michael Stübgen (CDU) und Linda Teuteberg (FDP) warten auf ihren Auftritt.

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