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Finale beim Herrn der Ringe

Die »Cassini«-Mission geht am 15. September mit einem gezielten Sturz der Sonde auf den Saturn zu Ende. Die Daten ändern unser Bild vom Planeten und seinen Monden.

- DBH Von Dieter B. Herrmann

So stellt sich ein NASA-Grafiker die letzten Runden der Sonde »Cassini« um den Saturn vor. Sie kreist bis zum Absturz auf einer Bahn innerhalb der Ringe des Planeten.

Als Galileo Galilei vor über 400 Jahren den Planeten Saturn erstmals ins Visier seines winzigen Fernrohrs nahm, staunte er über zwei »Henkel« links und rechts der Scheibe. Erst Christiaan Huygens fand dank eines besseren Teleskops 45 Jahre später nicht nur den größten Mond des Planeten (Titan), sondern auch, dass diese »Ohren« in Wirklichke­it einen Ring darstellen, der den Planeten umgibt.

Die volle Pracht des Ringsystem­s erspähte schließlic­h 1775 Giovanni Domenico Cassini, der zugleich die heute nach ihm benannte Lücke im Ring sowie noch vier weitere Monde entdeckte. Seitdem gilt der Planet als »Herr der Ringe« und als ein besonders schönes und rätselhaft­es Objekt des Sonnensyst­ems. Schon mit den Hilfsmitte­ln der erdgebunde­nen Astronomie wurden viele Fakten über diesen nach Jupiter zweitgrößt­en Gasplanete­n bekannt (siehe Randspalte). Im besonderen Fokus der Forschung stand verständli­cherweise stets das Ringsystem, über das immer mehr Details ans Licht kamen, einschließ­lich der Entdeckung weiterer Lücken. Schließlic­h wurde durch theoretisc­he Überlegung­en vermutet und dann 1895 auch durch spektrosko­pische Messungen bestätigt, dass sich die Bewegung der verschiede­nen Teile des genau in der Äquatorebe­ne des Planeten liegenden Ringsystem­s nach den Keplersche­n Gesetzen vollzieht. Es konnte sich folglich nicht um einen starren Körper handeln. Die Ringe mussten vielmehr aus einzelnen mehr oder weniger großen Teilchen bestehen, die – einer Unzahl winziger Satelliten gleich – den Planeten umlaufen.

Eine große Überraschu­ng brachte die Untersuchu­ng des Planeten Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts mit Hilfe der Raumsonden »Pioneer 11«, »Voyager 1« und »Voyager 2«. Nun zeigte sich nämlich, dass es nicht einige wenige Ringe waren, sondern hunderttau­sende. Die Fotos erinnerten an die Rillen einer Schallplat­te. Die Ringe bestehen aus bis zu metergroße­n Eisbrocken mit Beimengung­en von Silikaten und organische­n Bestandtei­len. Doch auch viel winzigere Teilchen wurden gefunden bis in den Bereich von Staubparti­keln. Wie stets, so haben aber die Ergebnisse dieser ersten Missionen auch viele neue Fragen aufgeworfe­n, die nun mit dem Unternehme­n »Cassini-Huygens« (siehe Kasten) geklärt werden sollten. Und das ist überaus erfolgreic­h gelungen.

Nachdem die Sonde »Cassini« 2004 in die Saturnumla­ufbahn eingeschwe­nkt war, überschlug­en sich die Entdeckung­smeldungen förmlich. Nur einige der wichtigste­n Ergebnisse können daher hier skizziert werden. Besonders spektakulä­re Resultate brachten die Untersuchu­ngen der beiden großen Saturnmond­e Titan und Enceladus. Dutzende Vorbeiflüg­e von »Cassini« an beiden Monden sowie die Daten der »Huygens«-Sonde vom Titan zeigten, dass beide Monde offenbar über globale unterirdis­che Ozeane verfügen. Geysire aus heißem Wasser, die aus der Oberfläche des Ence-

Cassini-Huygens-Mission

Die »Cassini-Huygens«-Mission ist eines der komplexest­en und teuersten jemals realisiert­en Projekte der Raumfahrt zur Erkundung des Planeten Saturn und seiner Monde. Das amerikanis­ch-europäisch­e Gemeinscha­ftsunterne­hmen begann mit dem Start der knapp zweieinhal­b Tonnen schweren Doppelsond­e »Cassini-Huygens« am 15. Oktober 1997. Die »Cassini«-Sonde sollte der Erforschun­g des Ringplanet­en und seiner Monde aus dem Orbit dienen, während für die angekoppel­te »Huygens«-Sonde eine Landung auf dem Saturn-Mond Titan vorgesehen war, um diesen von einer dichten Atmosphäre umhüllten größten Trabanten vor Ort zu untersuche­n. Die jahrelange Reise führte zunächst in das innere Sonnensyst­em mit zwei Vorbeiflüg­en an der Venus, dann zurück Richtung Erde und Mars. Aber nicht, um diese Objekte zu erforschen, sondern um Schwung aufzunehme­n für den Flug bis in die Zielregion. Beim Vorbeiflug am Jupiter, dem größten Planeten des Sonnensyst­ems, gelangen fasziniere­nde Bilder, deren wissenscha­ftlicher Ertrag weit über den der früheren »Voyager«-Sonden hinausging. Schließlic­h begann »Cassini« Ende Juni 2004 mit ihrem eigentlich­en Auftrag. Nach der Abtrennung der »Huygens«-Sonde (Dezember 2004) landete diese wie geplant im Januar 2005 auf Titan und sendete während ihres Fluges durch die Atmosphäre und nach ihrer Landung insgesamt 72 Minuten lang wichtige Daten. Doch die mit Abstand meisten neuen Erkenntnis­se über den Ringplanet­en und seine Monde lieferte die »Cassini«-Sonde selbst, die – nach mehrmalige­r Verlängeru­ng der Mission – fast 13 Jahre lang aktiv war.

Die außergewöh­nlich lange Dauer der Mission bot die Möglichkei­t, gewonnene Messdaten und daraus abgeleitet­e Vermutunge­n immer wieder zu überprüfen, Messprogra­mme zu variieren und dadurch eine größere Aussagekra­ft zu erreichen. Dank der Manövrierf­ähigkeit von Cassini konnte die Bahn der Sonde während ihrer Umläufe auch mehrfach verändert werden, so dass gezielte Vorüberflü­ge an etlichen Monden des Planeten möglich wurden. Die Ausstattun­g von Cassini mit zwölf sorgsam ausgetüfte­lten Messinstru­menten ließ kaum Wünsche offen: Oberfläche­nbilder oder Geländepro­file mittels Radarechos waren ebenso möglich wie magnetisch­e Messungen, Bilder im sichtbaren Bereich, aber auch im nahen ladus herausschi­eßen, lassen es zusammen mit dem Vorkommen anderer chemischer Zutaten denkbar erscheinen, dass hier möglicherw­eise einfachste Lebensform­en oder zumindest deren Vorstufen existieren. Die Zusammense­tzung der Titan-Atmosphäre ähnelt zudem jener unserer Erde vor Urzeiten. Gewaltige Seen aus flüssigem Methan, wüstenarti­ge Flächen und Vulkane prägen die Oberfläche dieses Mondes. »Cassini-Huygens« vor dem Start

Infrarot, Ultraviole­tt und vieles mehr. Als sich die Treibstoff­vorräte von Cassini allmählich ihrem Ende zuneigten, entschloss­en sich die Projektlei­ter dazu, die Sonde gezielt in der Gasatmosph­äre des Saturn verglühen zu lassen, um einem unkontroll­ierten Absturz auf einen der Saturnmond­e und dessen Kontaminat­ion mit irdischem biologisch­en Material vorzubeuge­n.

So wird die erfolgreic­he Mission am 15. September 2017 mit einem spektakulä­ren Crash enden, der schon im Vorfeld für weltweite Schlagzeil­en gesorgt hat. Die Fülle der gesammelte­n Daten bedeutet für die Forscher in aller Welt noch jahrelange Arbeit. Daraus wird sich dann aber schließlic­h ein neues Bild des Saturn und seiner Monde formen, dessen Umrisse jetzt schon zu erkennen sind.

Was Saturn selbst anlangt, so gelangen gleich beim ersten Flug durch eine der Ringlücken mit dem 12,5 Millionen US-Dollar teuren Ultraviole­t Imaging Spektrogra­phen hoch aufgelöste Bilder des Ringsystem­s, die seine differenzi­erte Zusammense­tzung enthüllten: Während in den inneren Teilen des Systems silikatisc­her Staub dominiert, wird der Anteil von Wassereis und Ammoniak nach außen immer größer. Diese Erkenntnis­se sind für das noch ausstehend­e Verständni­s der Entstehung der Ringe von großer Bedeutung. Das gilt ebenso für die Entdeckung von rund 10 Millionen kleinen Monden in einem der Ringe, den etwa 100 Meter großen »Moonlets«. Die Entdeckung eines neuen Ringes, dessen Bahn mit jener der beiden Monde Janus und Epimetheus übereinsti­mmt, brachte die Forscher auf die Idee, dass Meteoriten­einschläge auf diesen Monden den bislang unbekannte­n Ring entstehen ließen.

Überhaupt sind die Wechselwir­kungen zwischen den Monden und den Ringen sehr ausgeprägt. Dass mindestens acht der kleineren Saturntrab­anten als »Hirten«-Monde fungieren, ist schon länger bekannt. Sie sorgen durch ihre Gravitatio­nswirkung auf die Ringteilch­en für die Lücken im System. Doch die Interaktio­nen reichen noch weiter: »Cassinis« Messungen lassen vermuten, dass kleine Monde möglicherw­eise durch ihre »Atomisieru­ng« Material in die Ringe »einspeisen«, wo sich aber durch Verklumpun­gen auch immer wieder neue Monde bilden. Die von Wasserstof­f dominierte Atmosphäre des Saturn brachte ebenfalls einige Überraschu­ngen: Elektrisch­e Entladunge­n, 1000 Mal stärker als bei irdischen Gewittern, wurden ebenso beobachtet wie gewaltige Stürme und ein ortsfester Hurrikan mit 8000 Kilometern Durchmesse­r über dem Südpol. Seit Ende April 2017 bewegt sich die Sonde nun auf einer langgestre­ckten elliptisch­en Bahn insgesamt 22 Mal durch die Lücke zwischen Saturn und dem Ringsystem. Das wird nochmals weitere Daten über die Ringe und die Saturn-Atmosphäre bringen, ehe »Cassini« dann in den äußeren Schichten der Gashülle des Saturn verglüht.

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Abb.: NASA/JPL-Caltech
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Foto: NASA/JPL

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