Mit Kunst, Kaviar und Kohle
Wie Aserbaidschan versucht, sich einen guten Ruf zu kaufen – nicht zuletzt in Deutschland
Grenzen mit Russland, Iran und der Türkei, enorme Gasvorräte: Aserbaidschan könnte der geborene strategische Partner des Westens sein – wenn sein Regime nur nicht so verrufen wäre. Dass Aserbaidschan derzeit mit Nachdruck darauf aus ist, seinen Ruf im Westen zu fördern, dürfte nur wenigen Interessengruppen so präsent sein wie Freunden der zeitgenössischen Kunst. So hatte der autoritär regierte Kleinstaat am Kaspischen Meer schon anno 2015 bei der Kunstbiennale in Venedig als einzige Nation nicht nur einen, sondern gleich zwei Palazzi mit hochpreisig eingekauften Werken bespielt. Diese Protzigkeit hatte selbst in einer Szene, die in Sachen Provenienzforschung bei Geldmitteln nicht immer sehr genau hinschaut, für Stirnrunzeln gesorgt – zumal sich ein Teil der vom dortigen Öl- und Gasregime gezeigten Werke ausgerechnet mit Umwelt und Nachhaltigkeit befasste.
Wohl deshalb beäugt das Fachpublikum bei der diesjährigen Weltkunstschau, die noch bis November läuft, die Aktivitäten Bakus sehr kritisch. Als Kurator des Auftritts musste sich der inzwischen verstorbene Martin Roth – renommierter Ex-Chef Chef der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Londoner Victoria and Albert Museums – Fragen gefallen lassen: Wie könne man erst aus »Verstörung« über den Brexit aus London fliehen, um sich sogleich dem Regime des Ilham Alijew in die Arme werfen? Eine gute Antwort hatte Roth nicht. Es habe keine Einflussnahme auf seine Arbeit gegeben – und instrumentalisiert werde man ja immer in der Kunst. Man wird annehmen dürfen, dass das Angebot stimmte.
Zwar ist der Öl- und Gaspreis derzeit relativ niedrig, doch gibt der hauptsächlich vom Staatskonzern SOCAR abgewickelte Export fossiler Energie der Regierung in Baku auch weiterhin beträchtliche Möglichkeiten. Das Land verfügt über Gasreserven, die auf zwei bis zweieinhalb Billionen Kubikmeter geschätzt werden – damit könnte man Deutschland rund 30 Jahre lang versorgen.
Dass die Regierung des Landes, das etwa zehn Millionen Einwohner hat und etwa doppelt so viel Fläche wie die Schweiz umfasst, mit so viel Nachdruck auf die Weltbühne drängt, hat auch damit zu tun, dass die Vo- raussetzungen dafür eigentlich gut stehen. Die Beziehungen zu Russland sind zwar nicht schlecht. Doch je mehr sich die Konfrontation zwischen Moskau und dem Westen zuspitzt, desto attraktiver wird das Land als Energielieferant für Europa. 2016 kündigte Staatschef Alijew in Berlin an, die Pipeline »Southern Gas Corridor« könne Europa ab 2020 via Türkei – anstatt der auf Eis liegenden SouthStream-Linie, die russisches Gas durch das Schwarze Meer via Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Europa pumpen sollte.
Umgekehrt hofft Baku wohl im Grenzstreit mit Armenien – das sehr gute Beziehungen zu Moskau unterhält – auf den Westen. Zuletzt kam es in dem Konflikt um die seit 1992 von Aserbaidschan abtrünnige Region Bergkarabach 2016 zu Kampfhandlungen. Vor wenigen Wochen soll Baku armenische Stellungen mit einer Drohne angegriffen haben.
Reich an Gas, gemeinsame Grenzen mit Russland, Iran und in der Exklave Nachitschewan auch mit der Türkei: Aserbaidschan wäre ein geborener Partner des Westens. Wenn da nicht der Umstand wäre, dass die Regierung des seit 2003 als Nachfolger seines Vaters regierenden Präsidenten kaum in die Erzählung vom Ringen der freien Welt mit dem autoritären Rest passt. Urnengänge gelten als manipuliert. Immer wieder kommt es zu Repressalien gegen Oppositionelle. »Reporter ohne Grenzen« spricht von Folter gegen Journalisten. Kürzlich wurde Faiq Amirli, Geschäftsführer einer oppositionellen Zeitung, zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt – auch wegen des Vorwurfs von »Gülenismus«. In Paris prozessiert Alijew derzeit gegen Journalisten, die ihn in einem Film »Diktator« nannten.
Es gibt also viel zu bearbeiten für Bakus Staats-PR. Wie dabei vorgegangen wird, zeigt sich jüngst in einer Reihe von Skandalen. Einer davon rankt sich um den CSU-Politiker Eduard Lintner, von 1976 bis 2009 im Bundestag. Noch als Abgeordneter gründete er eine GmbH »zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen«. Der »Süddeutschen Zeitung« erläuterte er, diese solle »Bemühungen zur Lösung des Konflikts um Bergkarabach« fördern.
Man kann Lintner, noch immer Leiter des Fachausschusses Außenpolitik der CSU, wohl einen Lobbyist Aserbaidschans nennen. Auffällig wurde das 2013, als er der Präsidentschaftswahl im Namen einer selbst ernannten Beobachterkommission ein gutes Zeugnis ausstellte, während die OSZE das Gegenteil berichtete. Anschließend sollen beträchtliche Summen an Lintner und die Gesellschaft geflossen sein – gut 60 000 Euro auf ein von dem Politiker »geschäftlich genutztes« Konto, mehr als 800 000 gingen an die Gesellschaft. Die Geldflüsse räumt Lintner ein. »Korrupt« sei er nicht, sagte er der »Main-Post«.
Lintner war auch Abgeordneter in der »Parlamentarischen Versammlung« des Europarates. Diese wird von den Parlamenten der Mitglieder der Organisation beschickt, die nicht mit der EU verbunden ist. Offenbar war der Europarat, in dem auch Aserbaidschan Mitglied ist, ein wichtiges Ziel der Aktivitäten Bakus. In Italien wird gerade gegen den Ex-Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europarat, Luca Volontè, prozessiert. Er soll über dunkle Kanäle fast zweieinhalb Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten haben.
Schon 2012 beklagte Gerald Knaus von der Denkfabrik »Europäische Stabilitätsinitiative« eine auf den Europarat zielende »Kaviardiplomatie« Bakus. Nun sagt er, die Organisation, die Demokratie und Rechtsstaat för- dern soll, habe seine »Seele« an das Regime verkauft. Dutzende Abgeordnete sollen mit Präsenten vom Teppich bis zur Perlenkette bedacht worden sein. 2013 scheiterte im Europarat ein Bericht des SPD-Politikers Christoph Strässer zu willkürlichen Festnahmen in dem Land, Volontè scheint den Widerstand organisiert zu haben. Die Parlamentswahl von 2015 wurde belobigt.
Die Auswertung von Daten, die der dänischen Zeitung »Berlingske Tidene« zugespielt worden waren, durch das Recherchekollektiv OCCRP lässt erahnen, dass rund 2,5 Milliarden Dollar aus Aserbaidschan durch die Konten dubioser britischer Firmen bei der estnischen Filiale einer dänischen Bank flossen, oft mit unklarem Empfänger. Von dort kam das Geld
»Der deutsche Zoll muss die Geldflüsse vom Diktator in Aserbaidschan zur Lobbygruppe des CSU-Außenpolitikers Lintner unter die Lupe nehmen.«
Sven Giegold (Grüne), MdEP
für Lintner. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Konten in großem Stil zur Landschaftspflege dienten.
Nun mehren sich Rufe nach Konsequenzen. Sven Giegold, für die Grünen im EU-Parlament, fordert: »Der deutsche Zoll muss die Geldflüsse vom Diktator in Aserbaidschan zur Lobbygruppe des CSU-Außenpolitikers Lintner unter die Lupe nehmen.« Sein Kollege Fabio De Masi von der Linkspartei nimmt den Fall Lintner zum Anlass, die Forderung nach einem »öffentlich zugänglichen Register der wirtschaftlich Berechtigten von Briefkastenfirmen und Trusts sowie effektive Strafen bei Verstößen gegen Geldwäschegesetze« zu unterstreichen. Die Bundesregierung müsse »ihre Blockadehaltung im Europäischen Rat endlich aufgeben«.
Doch die für Baku bedrohlichste Forderung kommt einstweilen nur von der NGO »Urgewald«. Die EU solle die Enthüllungen als »Weckruf« betrachten und ihr für jene Süd-Pipeline von Aserbaidschan nach Europa überdenken: »Kredite in Milliardenhöhe durch die öffentlichen Banken EBRD und EIB sind noch nicht vergeben. Das muss so bleiben.«