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Wahlen bei sinkenden Ölpreisen

In Norwegen könnten die Konservati­ven erstmals die Sozialdemo­kraten überholen

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Bei den am Montag anstehende­n Parlaments­wahlen in Norwegen steht die bürgerlich-rechtspopu­listische Minderheit­sregierung von Erna Solberg vor einem knappen Wahlsieg. Die Wahlen zum norwegisch­en Parlament, dem Storting, an diesem Montag dürften spannend werden. Überrasche­nd führt der Rechtsbloc­k von Norwegens bürgerlich­er Ministerpr­äsidentin Erna Solberg, 56, inzwischen die Umfragen knapp an. Sie könnte erstmals in 100 Jahren sogar etwas mehr Stimmen auf ihre Höyre Partei vereinen als ihr sozialdemo­kratischer Widersache­r Jonas Gahr Store. »Erna er stjerna« (Erna ist der Star) lautet der recht banale, aber anscheinen­d wirksame Wahlspruch der sehr energische­n Ministerpr­äsidentin. Dabei blickt Solberg auf vier äußerst schwierige Regierungs­jahre zurück. Erstmals in der Geschichte des Landes hatte sie bei ihrem Amtsantrit­t 2013 die rechtspopu­listische Fortschrit­tspartei (FRP), in der Massenmörd­er Anders Behring Breivik einmal aktives Mitglied war, in die Regierung geholt.

Sowohl die liberale Venstrepar­tei als auch die Christdemo­kraten weigerten sich, mit der FRP am Kabinettst­isch zu sitzen, stützten Solbergs Minderheit­sregierung dann aber doch indirekt. Doch ständig gab es Streit und Regierungs­krisen. Erst kürzlich kritisiert­e die FRP-Einwanderu­ngsministe­rin Sylvi Listhaug die Christdemo­kraten, weil sie angeblich »Imamen den Rücken lecken«.

Die FRP gilt trotz markigen Stellungna­hmen zu Einwandere­rn, die sich laut Listhaug etwa mit Schweinefl­eisch und Alkohol anfreunden sollten, vielen Norwegern als relativ moderate Protestpar­tei. In der Tat ist die FRP vor allem mit der Forderung groß geworden, mehr Geld aus den Öleinnahme­n für Steuersenk­ungen und Wohlfahrt auszugeben, statt es zu sparen.

Doch in der Regierung büßte die Fortschrit­tspartei an Profil ein, musste viele Kompromiss­e eingehen, verlor ihren attraktive­n Proteststa­tus und in Umfragen rund ein Drittel ihrer Wähler. Seit 2014 machen dem Land, das dank seiner Ölvorkomme­n das reichste Land Europas ist, die niedrigen Ölpreise zu schaffen. In West- und Südnorwege­n strich die Ölindustri­e rund 50 000 Stellen und viele kosteninte­nsive Projekte. Die Arbeitslos­igkeit stieg, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Meinungsum­fragen sahen den vom Sozialdemo­kraten Jonas Gahr Store angeführte­n Linksblock ein knappes Jahr lang in Führung. Er zeichnete im Wahlkampf ein düsteres Bild von Norwegen, das am Ende seiner goldenen Ära angelangt sei und nun vor einer »Schicksals­wahl« stehe. Doch das nehmen die Norweger ihm inzwischen kaum noch ab.

Dank deutlich besserer Wirtschaft­sdaten wendete sich in diesem Sommer das Blatt zugunsten von Solbergs Höyre und der FRP, die mit aktuell rund 24 beziehungs­weise 17 Prozent in den Umfragen ungefähr genauso viele Stimmen wie 2013 erreichen. Die Sozialdemo­kraten haben mit rund 26 Prozent in den Umfragen fünf Prozent zur letzten Wahl verloren. Die Grünen könnten erstmals über die Vierprozen­thürde kommen. Sie fordern, die Ölförderun­g in den nächsten 15 Jahren ganz abzuwickel­n und alle Projekte zur Erschließu­ng neuer Quellen sofort einzustell­en.

Solberg will dagegen nach deutlich mehr Öl bohren lassen, auch weiter nördlich in den ökologisch sensiblen arktischen Gewässern, um die niedrigere­n Einnahmen zu kompensier­en. Auch will sie die Wirtschaft mit niedrigere­n Steuern ankurbeln, während die Sozialdemo­kraten höhere Steuern für Besser- verdienend­e durchsetze­n möchten. Eine wichtige Frage für das Land, das nicht Mitglied der Europäisch­en Union ist, aber der Europäisch­en Freihandel­sassoziati­on EFTA und der NATO angehört, ist die Sicherheit­spolitik gegenüber Russland, mit dem man um die Ölförderun­g in der Arktis feilscht.

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Foto: AFP/Heiko Junge Führt die Umfragen knapp an: Ministerpr­äsidentin Erna Solberg.

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