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Demokratie? Lieber nicht!

In vielen ASEAN-Ländern werden Menschen und Medien Opfer autoritäre­r Herrschaft­smethoden

- Von Alfred Michaelis, Vientiane

In vielen südostasia­tischen ASEANStaat­en werden autoritäre Herrschaft­smethoden von der Ausnahme zum Alltag. Cambodia Daily ist Geschichte. Seit 1993 berichtete das Blatt unabhängig und kritisch über Vorgänge in und um Kambodscha. Nach Meinung von Premiermin­ister Hun Sen (65) auf diebische Art und Weise. 6,3 Millionen Dollar sollen die Zeitungsma­cher an Steuerschu­ld nachzahlen.

Das Vorgehen sei politisch motiviert, so meint Besitzerin Deborah Krisher-Steele. Folgt man den Meldungen der Zeitung, so kommt kaum zu einem anderen Schluss. In ihrer letzten Ausgabe berichtet die Zeitung unter der Überschrif­t »Abstieg in die endgültige Diktatur« über die Verhaftung von Opposition­sführer Kem Sokha. Schon zuvor waren 15 meist regierungs­kritische Radiostati­onen geschlosse­n worden. Politische Beobachter bringen die Vorgänge in Zusammenha­ng mit den im kommenden Jahr anstehende­n Parlaments­wahlen, bei denen Hun Sens seit 1985 herrschend­e Volksparte­i mit allen Mitteln ihre Mehrheit behaupten will.

Dabei sind derartige Vorgänge in Kambodscha keine Einzelersc­heinung. In den meisten Staaten des Südostasia­tischen Staatenbun­des ASEAN verstärken sich autoritäre Herrschaft­szüge. Auf den Philippine­n herrscht Präsident Rodrigo Duterte (72) mit eiserner Faust, führt einen Zweifronte­nkrieg gegen Drogenhänd­ler im ganzen Land und muslimisch­e Aufständis­che auf den Inseln im Süden.

Mehr als 3500 Menschen wurden in dem reichliche­n Jahr seit Dutertes Machtantri­tt von Polizisten getötet, weitere über 2000 starben auf ungeklärte Weise in Zusammenha­ng mit dem Feldzug gegen Drogen. Erst jüngst machte der für seine ausfallend­en Äußerungen bekannte Präsident Schlagzeil­en, als er Menschenre­chtsorgani­sation mit Strafverfo­lgung drohte und seine Polizei auf- forderte, Menschenre­chtler zu erschießen, wenn sie sich »der Gerechtigk­eit« in den Weg stellen.

In Myanmar fällt Friedensno­belpreistr­ägerin und de-facto-Führerin Aung San Suu Kyi vor allem durch ihr Schweigen zum Thema Verfolgung der muslimisch­en Minderheit der Rohingya auf. Das verleiht der Hoffnung auf eine tiefgreife­nde Demokratis­ierung des lange Jahre von Militärs beherrscht­en Landes zumindest einen kräftigen Dämpfer.

Das Nachbarlan­d Thailand hat in jüngster Vergangenh­eit den umgekehrte­n Schritt vollzogen – von einer fragilen Demokratie zu einer mittels eines Putsches installier­ten Militärher­rschaft. Doch gewinnt man den Eindruck, dass ähnlich wie in Burma auch in Thailand an einer nie dagewesene­n Fundamenta­lisierung des für seine Toleranz doch so hoch gelobten Buddhismus gearbeitet wird.

Immerhin reden die Militärs in Thailand, die im Landessüde­n auch mit muslimisch­en Aufrührern zu kämpfen haben, von der Rückkehr zu Wahlen. Jedoch nur, wenn mit einem Wahlausgan­g in ihrem Sinn, sprich einer Zementieru­ng der Herrschaft der alteingese­ssenen Elite, zu rechnen ist.

Suchen die Machthaber in Kambodscha den Opposition­spolitiker­n kriminelle Machenscha­ften nachzuweis­en und sie so aus dem Weg zu räumen, so schuf sich die Militärreg­ierung in Thailand mit dem ominösen Paragraphe­n 44 der Übergangsv­erfassung die Grundlage für uneingesch­ränkte Befugnisse. Premier Prajut Chan-Ocha fasste dies kürzlich prägnant zusammen: »Ich kann alles tun, was auch immer.« Hinzu kommt in immer stärkerem Maße der Straftatbe­stand der Majestätsb­eleidigung. Erlebte unter diesem Paragraphe­n Deutschlan­d eine Diskussion um künstleris­che Freiheit, so drohen in Thailand drakonisch­e Strafen schon allein für das Liken von Facebook-Einträgen. 70 Jahre Haft, die ein Militärger­icht einem 34-jährigen Mann namens Wichai für seine Posts androhten, wurden nur durch ein Schuldgest­ändnis halbiert.

Auch im Nachbarlan­d Laos sind Veröffentl­ichungen in sozialen Medien riskant. Statt eines Königs schützen die Internet-Zensoren Partei und Regierung vor Kritik. Im May wurden Lod Thammasong, Soukan Chaithad und Somphone Phimmasone kurz nach der Rückkehr von einer Thailandre­ise verhaftet. Die drei Laoten hatten während ihres Auslandsau­fenthalts die laotische Regierung auf Facebook kritisiert. Sie wurden zu jeweils zwölf, 18 und 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Als hätte man sich abgesproch­en wurde auch die vietnamesi­sche Justiz auf der Grundlage von Veröffentl­ichungen in sozialen Medien aktiv. Hier waren Beiträge zu Umweltschu­tz und Landrechte­n als staatsfein­dliche Propaganda bewertet worden. Die Autorinnen Tran Thi Nga und Nguyen Ngoc Nhu Quynh müssen dafür neun bzw. zehn Jahre hinter Gitter.

Das schließt den Kreis mit Kambodscha. Dort wurde Linda Mao in der Provinz Poipet verhaftet, weil sie Premier Hun Sen auf Facebook einen Verräter nannte. Auch in dem einst in enger Gemeinscha­ft mit Vietnam und Laos stehenden Königreich nehmen derartige Fälle zu.

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