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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit überall

Vorschläge für Reform der Entsenderi­chtlinie sorgt in Europa weiter für Streit

- Von Josephine Schulz

Die Änderungen der Entsenderi­chtlinie soll im September mit einer Abstimmung im EU-Parlament in die nächste Runde gehen. »Welche Revisionen wollen wir?«, fragte der DGB beim Fachgesprä­ch in Berlin.

Mit dem kleinen gallischen Dorf von Asterix und Obelix gar verglich ein französisc­her Botschafts­mitarbeite­r scherzhaft die Arbeitgebe­rvertreter­in Renate Hornung-Draus in der Diskussion­srunde »Die Überarbeit­ung der Entsenderi­chtlinie: Welche Revision wollen wir?«. Eingeladen hatte der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB), auf der Tagesordnu­ng standen Maßnahmen gegen Lohndumpin­g in der EU. Allein die Vertreteri­n der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) sah in Punkto Entsenderi­chtlinie keinen Reformbeda­rf.

Auf europäisch­er Ebene wird die Entsenderi­chtlinie derzeit heftig diskutiert. Die Kommission brachte im vergangene­n Jahr eine Reformidee auf den Weg, die von Gewerkscha­f- ten als schwammig und unzureiche­nd kritisiert wurde. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron versuchte auf einer Europareis­e, andere Staaten hinter seinen Vorschlag zur Verschärfu­ng der Richtlinie zu bringen. Eine Einigung gibt es bisher nicht. Aus den osteuropäi­schen Staaten – vor allem aus Polen – kommt Gegenwind. Ende Oktober soll das Thema auf einem EU-Sozialgipf­el diskutiert werden. Für DGB-Vorstandsm­itglied Annelie Buntenbach sind die Alternativ­en simpel: Sozialdump­ing oder gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

Die sogenannte Entsenderi­chtlinie von 1996 regelt den Umgang mit Beschäftig­ten von Firmen, die für einen begrenzten Zeitraum in einem anderen EU-Land arbeiten. Bisher gilt: Die entsandten Arbeitnehm­er müssen nach Mindestloh­n des Ziellandes bezahlt werden, auch Höchstarbe­itsund Mindestruh­ezeiten müssen eingehalte­n werden. Sozialabga­ben werden weiterhin im Heimatland gezahlt. Die ohnehin geringen Mindeststa­ndards zum Schutz der ausländisc­hen Arbeitnehm­er wurden in EuGH-Urteilen mehrfach als Maximalsta­ndards interpreti­ert.

Entsendung­en, die unter anderem auf dem Bau, in der Pflege, Fleischind­ustrie oder Landwirtsc­haft üblich sind, bedeuten in der Praxis meist extreme Ausbeutung der ausländisc­hen Arbeitskrä­fte. Hinzu kommt die enorme Kreativitä­t beim Einsatz ille-

Nach dem Wunsch der Gewerkscha­ften soll künftig das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten.

galer Praktiken: Ewig lange Ketten von Subunterne­hmern, Löhne die niemals bei den Beschäftig­ten ankommen, Steuerbetr­ug, Briefkaste­nfirmen.

Nach dem Wunsch der Gewerkscha­ften soll künftig das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gelten. Das hieße: Der Lohn der entsandten Beschäftig­ten entspräche den Tarifvertr­ägen in der jeweiligen Branche. In Ländern wie Deutschlan­d würde sich angesichts fragmentie­rter Tariflands­chaften dann die Frage stellen, ob und wie nicht allgemeinv­erbindlich­e Tarifvertr­äge als Grundlage für die Entlohnung der entsandten Arbeiter gelten können.

Renate Hornung-Draus sieht in solchen Forderunge­n vor allem eines: ein riesiges Bürokratie­monster. Die BDA-Vertreteri­n betont immer wieder: Deutschlan­d sei nicht nur Zielland, es entsende selbst in hohem Umfang Arbeitskrä­fte in andere EU-Staaten. Mittelstän­dische Firmen, so glaubt sie, würden künftig auf Aufträge im EU-Ausland verzichten, weil etwa die dortige tarifliche Eingruppie­rung ihrer Mitarbeite­r zu komplizier­t sei. Für Hornung-Draus liegt das Problem in den illegalen Machenscha­ften im Kontext von Entsendung­en. »Eine Verschärfu­ng der Richtlinie würde diese Probleme nicht adressiere­n«, so die BDA-Vertreteri­n. Stattdesse­n sei eine stärkere Zusammenar­beit mit den Behörden der Herkunftsl­änder nötig.

Eine solche Zusammenar­beit etwa im Kampf gegen Scheinselb­stständigk­eit und Briefkaste­nfirmen sollte durch die 2014 beschlosse­ne Durchsetzu­ngsrichtli­nie sichergest­ellt werden. Von Gewerkscha­ften und linken EU-Abgeordnet­en wurde diese jedoch als unzureiche­nd und sogar kontraprod­uktiv kritisiert. Eine funktionie­rende Zusammenar­beit, an dieser Stelle zumindest sind sich Gewerkscha­fter und Arbeitgebe­r einig, gibt es nicht.

Neben Fragen der Entlohnung sorgen auch andere Vorschläge in Brüssel für Streit. Macron etwa will Entsendung auf 12 Monate begrenzen, im Kommission­svorschlag ist von 24 Monaten die Rede. Zudem gibt es die Forderung – auch dafür macht sich vor allem Polen stark –, den Transports­ektor rauszunehm­en und separate Regelungen für Lkw-Fahrer auszuhande­ln. Für die Gewerkscha­ften wäre das ein rechtsfrei­er Raum mit Ankündigun­g. Die deutsche Regierung hält sich in dem Konflikt bisher relativ bedeckt. Wahlkampf, so scheint es, möchte hierzuland­e mit diesem Thema niemand machen.

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