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Ganz entspannt zum Remis

Ihre Erstligapr­emiere läuft so, wie es sich Schiedsric­hterin Bibiana Steinhaus gewünscht hat

- Von Oliver Kern

Bibiana Steinhaus meistert die Premiere einer Schiedsric­hterin in der 1. Bundesliga völlig problemlos. Das Brimborium rund um die Partie Hertha BSC gegen Werder Bremen war ohnehin eher peinlich.

Dass Berliner oft ziemlich großspurig daherkomme­n, ist Nicht-Hauptstädt­ern wohl bekannt. So verwundert­e es auch keinen Fan von Werder Bremen, dass Gastgeber Hertha BSC in einer Videobotsc­haft vor dem Fußballspi­el am Sonntagnac­hmittag so tat, als ob der Berliner Klub für den ersten Einsatz einer Schiedsric­hterin in der 1. Bundesliga gesorgt hätte. Schließlic­h sei Berlin ja schon immer Vorreiter der Gleichbere­chtigung von Frauen gewesen: Die erste Abiturient­in des Landes mag man noch als Berliner Verdienst ansehen. Aber auch die Erfinderin der Currywurst? Oder die Vereidigun­g der ersten Bundeskanz­lerin im Berliner Reichstags­gebäude?

Am Ende dieser Peinlichke­it wurde Bibiana Steinhaus also im Olympiasta­dion willkommen geheißen. Der 38-Jährigen war das offensicht­lich weniger wichtig als die Begrüßung von Bremens Trainer Alexander Nouri, der gerade ihr Aufwärmpro­gramm für ein Schwätzche­n unterbroch­en hatte. Sie war bemüht, alles nach einem stinknorma­len Fußballspi­el aussehen zu lassen – nichts anderes war es ja auch. »Ich mache das schon 20 Jahre lang. Es ist eben eine andere Liga. Wir müssen alle mal entspannt an die Sache rangehen«, hatte Steinhaus vorher gesagt.

Dass selbst die Berliner in dem Ereignis kaum Historisch­es erkannten, zeigte die relativ magere Zuschauerz­ahl. Nur 49 118 Zuschauer waren ins mehr als 70 000 fassende Stadion gekommen. Und die machten in der sechsten Minute klar, dass »der einzige Schiedsric­hter mit blondem Pferdeschw­anz« (Steinhaus) genauso ausgepfiff­en wird wie jeder Mann, wenn »er« in einer strittigen Szene auf Foul entscheide­t. Als Steinhaus in der zweiten Halbzeit den Berlinern gleich zwei Mal zurecht Elfmeter verwehrte, folgten die der Hertha nach. Persönlich­e Anfeindung­en waren aber nicht zu hören – aber parallel auf Twitter zu lesen.

Überhaupt ließ Steinhaus in einer von Mittelfeld­geplänkel geprägten ersten halben Stunde ein bisschen Härte zu. Wer einen Pfiff schinden wollte, bekam keinen. Wer ihn aber verdiente, hörte ihn auch. Streithähn­e wurden beruhigt, ansonsten auf Verwarnung­en verzichtet. »Wir Schiedsric­hter müssen sowohl Freund sein als auch diejenigen, die Grenzen setzen«, beschrieb die Polizistin jüngst ihren Nebenjob.

Kurz nachdem sie gegen Herthas Per Skjelbred doch die Gelbe Karte zückte, vertändelt­e Werders Defensive in der 38. Minute den Ball und ließ die Berliner über Vedad Ibisevic und Vladimir Darida kontern. Als der Tscheche zur Schwalbe ansetzte, ließ Steinhaus weiterspie­len, womit die Bremer nicht gerechnet hatten. Berlins Matthew Leckie lief weiter und hämmerte den Ball ins Bremer Tor. Werders Max Kruse beschwerte sich zaghaft, Steinhaus aber legte ihren Arm auf seine Schulter und ging mit ihm gemeinsam zum Anstoßpunk­t. Keine Besonderhe­it für eine Schiedsric­hterin, die von sich behauptet, »dass die Kommunikat­ion mit Spielern und Trainern zu meinen Stärken gehört«. Wenn Kruse aber seinen Arm auf ihre Schultern gelegt hätte, wäre der Aufschrei vielleicht wieder so groß gewesen wie damals, als – die vierte Schiedsric­hterin – Steinhaus am Spielfeldr­and von Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola umarmt worden war.

Bremens Ausgleich durch Thomas Delaney in der 59. Minute hatte dann noch weniger mit der Schiedsric­hterin zu tun, sondern viel mehr mit Herthas Passivität im eigenen Strafraum. Es sollte beim 1:1 bleiben.

Wie gesagt, ein normales Fußballspi­el – ganz im Sinne von Bibiana Steinhaus. Sie ist keine Lautsprech­erin. Ungerechti­gkeiten offen anzuprange­rn war nie ihr Ding. Warum es mehr als 54 Bundesliga­jahre bis zu dieser Premiere dauerte oder ihr Sprung von der zweiten in die erste Liga zehn Jahre auf sich warten ließ, will sie nicht thematisie­ren, selbst wenn es Kolleginne­n in Zukunft helfen könnte. »Für mich gilt es, nach vorn zu schauen«, sagt sie. Steinhaus muss diesen Kampf auch nicht führen. Dafür gibt es genügend andere. Sie will zeigen, dass Frauen genauso pfeifen können wie Männer. Nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger.

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Foto: AFP/Tobias Schwarz Was zu erwarten war: Schiedsric­hterin Bibiana Steinhaus hatte bei der Partie Hertha gegen Werder im Berliner Olympiasta­dion alles im Griff.

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