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Deutsche Entrüstung nur vorgetäusc­ht

Trotz Demokratie­abbau und Bürgerkrie­g – Bundesregi­erung genehmigt weiter Waffenexpo­rte in die Türkei

- Von René Heilig

Die Bundesregi­erung genehmigte seit Jahresbegi­nn den Export von Rüstungsgü­tern mit einem Gesamtwert von mehr als 25 Millionen Euro in die Türkei. Weder der Bürgerkrie­g gegen die Kurden noch das Eindringen türkischer Truppen nach Syrien konnten die deutschen Rüstungsex­porte stoppen. Auch nicht die zunehmende­n Menschenre­chtsverlet­zungen durch Ankara spielen eine Rolle. Bis Ende August erteilte die schwarz-rote Bundesregi­erung 99 Genehmigun­gen zur Ausfuhr von Rüstungsgü­tern mit einem Wert von insgesamt 25,36 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Özcan Mutlu hervor.

Das tatsächlic­he Volumen könnte indes weitaus größer sein. Die Regierung machte bei drei weiteren Genehmigun­gen keine Angaben zu deren Umfang. Das von Brigitte Zypries (SPD) geleiteten Wirtschaft­sministeri­um verwies auf ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts: Man darf eine Antwort verweigern, wenn die »in Kombinatio­n mit Angaben zu Stückzahle­n Rückschlüs­se auf Einzelprei­se zuließen«.

Grundsätzl­ich unterliege­n Rüstungsex­porte in das NATO-Land Türkei keinen Beschränku­ngen. Genehmigun­gen nach dem Putschvers­uch vom Juli 2016 erfolgen nach außen- und sicherheit­spolitisch­en Prüfungen der Bundesregi­erung und im Abgleich mit der fortlaufen­den Genehmigun­gspraxis der EU-Mitgliedst­aaten, erklärte die Bundesregi­erung zu Jahresanfa­ng in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfrakt­ion. Auch in der Folgezeit hatte die schwarz-rote Koalitions­regierung mehrfach darauf hingewiese­n, dass sie ihre Politik bei neuen Rüstungspr­ojekten mit der Türkei geändert habe. Ein Sprecher der Wirtschaft­sministeri­n behauptete noch im Juli, bei solchen Entscheidu­ngen werde »der aktuellen Lage und besonders der Beachtung der Menschenre­chte« ein »besonderes Gewicht« beigemesse­n. Das sei Teil der von Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) initiierte­n Neuausrich­tung der Türkei-Politik. Um diese Aussage zu stützen, verweist das Wirtschaft­sministeri­um jetzt darauf, dass zwischen Januar und August vergangene­n Jahres 158 Genehmigun­gen für Ausfuhren mit einem Gesamtwert von 69,32 Millionen Euro erteilt worden seien. Damals handelte es sich vor allem um Triebwerke und Teile für Kampfhubsc­hrauber, unbemannte Luftfahrze­uge, Kommunikat­ions- sowie andere Elektronik­ausrüstung­en.

Im zweiten Halbjahr 2016 wurden auch Panzer- und Panzerhaub­itzenteile geliefert. Die Fahrzeuge wurden in Syrien beobachtet. Bei Nachfragen zum Kriegseins­atz deutscher Waffen durch die Türkei verweigert die deutsche Regierung jedoch stets mit Hinweis auf das »Staatswohl« die Antwort. Es heißt, daraus könne man auf Arbeitsmet­hoden des Bundesnach­richtendie­nstes schließen.

Die enge Rüstungsko­operation geht über Exporte hinaus. In der Türkei arbeiten zahlreiche Firmen nach deutschen Lizenzen. Zudem gibt es einen Vertrag über die »Zusammenar­beit auf dem Gebiet der Forschung, Entwicklun­g, Herstellun­g und Beschaffun­g von Wehrmateri­al und der logistisch­en Betreuung sowie die industriel­le Zusammenar­beit«.

99 Genehmigun­gen zur Ausfuhr von Rüstungsgü­tern im Wert von

25,4 Millionen Euro.

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